Ein Jahr Ebola: Ein Jahrestag der Versäumnisse

Ebola ist in Liberia allgegenwärtig. Auf Plakaten und Wänden wird vor dem Virus gewarnt.
Ebola ist in Liberia allgegenwärtig. Auf Plakaten und Wänden wird vor dem Virus gewarnt.(c) APA/EPA/AHMED JALLANZO
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Mit monatelanger Verspätung meldete Guinea den Ebola-Ausbruch der WHO. Ärzte ohne Grenzen beklagen eine "Allianz der Untätigkeit".

Ebola? Noch vor einem Jahr war das Virus nur Insidern ein wirklicher Begriff. Eine Epidemie und mehr als 10.000 Tote später, ist das Virus eines der großen Themen welteweit - trotz deutlicher Rückgänge der Neuinfektionen. Genau vor einem Jahr, am 23. März, gab die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Ausbruch der Ebola-Seuche offiziell bekannt. Erste Fälle hatte es in Guinea bereits im Dezember 2013 gegeben. Erst am 22. März 2014 aber machte Guinea den Ausbruch publik. Versäumnisse der lokalen Behörden und der internationalen Staatengemeinschaft wie diese haben aus der Ebola-Krise auch ein Lehrbeispiel für schlechtes Krisenmanagement gemacht.

Ärzte ohne Grenzen (MSF) kritisiert aus Anlass des Jahrestages die "Allianz der Untätigkeit" rund um Ebola. "Die Ebola-Epidemie hat schonungslos offengelegt, wie ineffizient und langsam die internationalen Gesundheits- und Hilfssysteme auf Notfälle reagieren", sagte Joanne Liu, die internationale Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen. Die Hilfsorganisation warnte am Montag davor, den Ausbruch in Westafrika vorschnell für beendet zu erklären. Die Zahl der Neuinfektionen ist zuletzt wieder gestiegen.

"Virus verbreitete sich unkontrolliert"

Gleichzeitig wurde ein kritischer Report zu den Geschehnissen mit dem Titel "Pushed to the limit and beyond" ("Bis an die Grenzen und darüber hinaus") auf der Basis von Interviews mit MSF-Mitarbeitern publiziert. Am 14. März hatte Esther Sterk vom Büro der Hilfsorganisation in Genf von der "mysteriösen Erkrankung" gehört, welche das Gesundheitsministerium von Guinea in Conakry bekannt gegeben hatte. Sofort wurde vor einem Ausbruch von beispielloser geografischer Verbreitung gewarnt. Doch die Regierungen der betroffenen Länder leugneten den Ausbruch zunächst. "In dieser Zeit verbreitete sich das Virus völlig unkontrolliert", kritisiert MSF.

"Der Ebola-Ausbruch wurde oft als 'perfekter Sturm' bezeichnet: eine grenzüberschreitende Epidemie in Ländern mit schwachen Gesundheitssystemen, in denen Ebola bis dahin unbekannt war", sagte Christopher Stokes, Geschäftsführer der Brüsseler Einsatzzentrale von Ärzte ohne Grenzen. "Doch wer das als einzige Erklärung gelten lässt, der macht es sich zu einfach. Dass die Epidemie dermaßen außer Kontrolle geraten konnte, liegt am Versagen zahlreicher Institutionen. Dieses vermeidbare Versagen hatte schlimme Konsequenzen."

Kranke Patienten mussten abgewiesen werden

Die internationale Staatengemeinschaft sei lange untätig geblieben. Die Kapazitäten der Betreuungszentren der Hilfsorganisationen waren schließlich im August 2014 - zum Beispiel in Monrovia, der Hauptstadt Liberias - völlig überfüllt. Die Mitarbeiter mussten schwerkranke Patienten am Eingang abweisen, in vollem Bewusstsein, dass diese vermutlich nach Hause gehen und andere anstecken würden.

Mittlerweile sind in Westafrika fast 25.000 Ebola-Erkrankungen registriert worden. Die Zahl der Todesopfer beträgt mehr als 10.200. Mit fast 12.000 Patienten war bisher der westafrikanische Staat Sierra Leone am stärksten betroffen. Dann folgt Liberia mit fast 9600 Fällen und schließlich Guinea mit 3400.

Jede Woche 100 Neuinfektionen

"Aktuell ist die Situation weiterhin herausfordernd, noch immer gibt es jede Woche mehr als 100 Neuinfektionen. Jede einzelne Kontaktperson eines Ebola-Infizierten muss ausfindig gemacht werden. Die Zahl der Neuinfektionen pro Woche ist noch immer höher als bei jedem Ausbruch zuvor, und sie ist seit Ende Jänner nicht mehr gesunken", schrieb MSF in einer Aussendung. In Guinea steige die Zahl der Patienten sogar an. Die Tragödie in der Tragödie: In den drei am stärksten betroffenen Ländern haben im vergangenen Jahr fast 500 Gesundheitsmitarbeiter ihr Leben verloren.

Entscheidend für die Zukunft - so die Hilfsorganisation - ist die Entwicklung einer globalen Strategie zur Entwicklung von Impfstoffen, Medikamenten und Diagnostika gegen Ebola. "Diese Epidemie hat brutal ein kollektives Scheitern aufgezeigt, für das Tausende Menschen mit dem Leben bezahlt haben. Die Mängel reichen von den schwachen Gesundheitssystemen in den betroffenen Ländern bis zur Lähmung der Hilfe von internationaler Seite", ist die Schlussfolgerung des Berichts.

Ebola

Das Ebola-Virus wird durch Blut und andere Körperflüssigkeiten übertragen. Infizierte leiden an Fieber, Muskelschmerzen, Durchfall sowie in heftigen Fällen an inneren Blutungen und Organversagen. Bei manchen Erregern verläuft die Seuche in bis zu 90 Prozent der Fälle tödlich. Gegen Ebola gibt es weder Impfungen noch Therapien.

Der Schwerpunkt der Epidemie liegt in Liberia, Guinea und Sierra Leone. Die Infektionszehlen gingen zuletzt zurück, doch Hilfsorganisationen warnen vor zu viel Optimismus.

Ärzte ohne Grenzen bittet um Unterstützung:
Erste Bank AT43 2011 1289 2684 7600
Spendenzweck "Ebola"

(APA)

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