Airbus-Unglück: Warum stürzte Flug 4U9525 ab?

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Der Voice-Recorder des verunglückten Jets der Germanwings wurde gefunden und kann ausgewertet werden. Es gibt Gerüchte über einen Druckverlust im Cockpit.

„Alles ist pulverisiert. Man kann nichts mehr auseinanderhalten, ja nicht einmal ein Flugzeug erkennen“, sagte der Feuerwehrmann Eric Sapet, der an der Absturzstelle des Airbus der Germanwings in den Alpen rund 100 Kilometer nördlich von Nizza im Einsatz ist, zu Journalisten.

Tatsächlich war der Jet am Dienstag mit etwas weniger als Reisegeschwindigkeit (das sind 890 km/h) in eine Flanke des Massif des Trois-Évêchés geflogen – nach einem gut achtminütigen Sinkflug, der über dem Gebirge absolut fehl am Platz war und an der Bergflanke in rund 1800 Metern Höhe endete. In all der Zeit bestand kein Funkkontakt, ein Notsignal wurde nicht empfangen.

Der Voice-Recorder, der die Geräusche im Cockpit aufnimmt, wurde gefunden. Er sei beschädigt, aber auswertbar, hieß es; am Mittwoch war man damit noch beschäftigt. Gleichzeitig tauchen einige Fragen auf:

1. In Luftfahrtkreisen wurde spekuliert, dass das Cockpitfenster zerbrochen sein und die Piloten getötet haben könnte. Was ist da dran?

Auf einem renommierten Aeronautikportal tauchte am Mittwoch ein nüchtern und informiert wirkender Eintrag auf: Auf dem Recorder höre man ein Krachen im Cockpit, gleich danach wurde der Notsinkflug manuell ausgelöst, und alles verstummte. Das Krachen sei vielleicht ein Fenster gewesen.

Die Theorie ist nicht abwegig: Der Wind würde das Cockpit verwüsten und die Insassen rasch bewusstlos machen, ja töten. US-Luftfahrtexperte Oliver McGee schreibt von einem gemeldeten Bruchereignis alle ein bis zwei Wochen; eine britische Studie fand 195Fälle von 2008 bis 2013. Drei Viertel davon geschähen in großen Höhen, also ohne Vogelschlag. Nur: Die Fenster blieben strukturell meist intakt, sprich sie splittern und werden schlecht durchsichtig, doch es gab kein Loch. In 36 Prozent der Fälle löste man den Sinkflug aus. Nur, Löcher gab es bisweilen doch: Im Juni 1990 etwa flog bei einer BAC1-11 der British Airways 5300Meter hoch über England ein Kanzelfenster weg. Kapitän Tim Lancaster wurde ins Freie gesaugt, blieb aber mit den Füßen hängen; ein Steward klammerte sich an seine Beine, bis der Ko-Pilot den Jet nach 20 Minuten landen konnte. Lancaster überlebte mit Knochenbrüchen und Erfrierungen. Unfallursache: Schlamperei beim Scheibentausch.

2. Der verunglückte Airbus A320 flog seit 1991. Sind 24 Jahre nicht zu viel für ein Flugzeug?

Nein, ein Flugzeug ist kein Auto. 24 Jahre sind recht viel, aber nicht ungewöhnlich. Die A320 ist für durchaus 25 Jahre und mehr konzipiert; nähert sich ein Flieger dem 30er, kann er noch lang Frachtflugzeug sein. „Wenn ein Flugzeug gut gewartet ist, spielt Alter keine Rolle“, sagt der Luftfahrtingenieur Klaus Wolf (TU Dresden). „Die Zelle von diesem Airbus stammt von 1991, aber seither hat man fast alles darin mehrfach ausgetauscht“, so der österreichische Luftfahrtexperte Georg Mader. Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (USA) von 2014 fand keinen signifikanten Konnex zwischen Unfällen und dem Alter der Maschine. Bei Jets ab 20 Jahren wurde eine „leichte Tendenz“ zu mehr Unfällen registriert, allerdings nur bei afrikanischen Fluggesellschaften.

3. Flugschreiber wirken antiquiert. Wieso lässt sich der Zustand von Flugzeugen nicht quasi per Live-Datenverbindung verfolgen?

Flugschreiber bzw. Stimmrekorder wurden in ihrem aktuellen Design in den 1950ern in Australien entwickelt. Sie sind extrem robust, dennoch gab es Fälle, in denen sie unauswertbar beschädigt wurden oder man sie nicht bergen konnte. Ein „externer Flugschreiber“ per Datenverbindung an eine Zentrale aber scheiterte bisher aus technischen Gründen an der flächendeckenden Einführung: Flugschreiber registrieren, von Geräuschen abgesehen, laufend mehr als 100 Parameter. Wenn man das sendet, ist der Datenstrom an Bodenstationen bzw. Satelliten enorm und würde angesichts von über 80.000 bis 100.000 Flügen pro Tag schlicht die Netze überlasten. Auch ist es eine Geldfrage: Satellitenverbindungen sind teuer, also gibt es nur in wenigen Flugzeugen (oft des Militärs) solche Systeme.

Das in den 1970ern entwickelte Acars (Aircraft Communications Addressing and Reporting System) ist zwar ein solches digitales Datenfunksystem und wird weltweit genützt. Es sendet aber in großen Intervallen (zehn bis 30 Minuten) kurze Botschaften aus einigen Kerndaten, maximal 220 Zeichen. Für Unfallrekonstruktionen ist das zu wenig und für einen Livestream taugt Acars auch nicht: Schon heute sind die Frequenzen überlastet, speziell in der Nähe großer Flughäfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)

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