Ermittler: Copilot brachte Airbus zum Absturz

Bergungsarbeiten am Unglücksort.
Bergungsarbeiten am Unglücksort.(c) APA/EPA/GUILLAUME HORCAJUELO (GUILLAUME HORCAJUELO)
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Die französischen Ermittler haben die Audiodateien aus dem Stimmrekorder ausgewertet. Sie kommen zu dem Schluss, dass der Copilot den Sinkflug bewusst einleitete. Bei dem Absturz starben 150 Menschen.

Nur 48 Stunden nach dem Absturz eines Airbus mit 150 Menschen in den französischen Alpen haben die Ermittler die letzten Minuten des Germanwings-Unglücksflugs rekonstruiert: Demnach war der Copilot alleine im Cockpit und brachte den Airbus absichtlich zum Absturz.

Kurz nachdem der Pilot das Cockpit verlassen hat, leitete der 27-jährige Copilot Andreas L. den automatischen Sinkflug ein. Das sagte der Marseiller Staatsanwalt Brice Robin am Donnerstag in einer Pressekonferenz in Marseille. Es wurden Ermittlungen wegen Mordes eingeleitet. "Wir stehen erst am Anfang unserer Ermittlungen," sagte Robin. Die Düsseldorfer Wohnung des Copiloten wurde Donnerstagnachmittag durchsucht.

Die Erkenntnisse beruhen auf der Auswertung des Cockpit Voice Recorders, der bereits Dienstagabend gefunden worden und am Mittwoch ausgewertet worden war. Die zweite Black Box, der eigentliche Flugschreiber, wurde bisher noch nicht gefunden.

Rekonstruktion der Ereignisse

Nach dem Start in Barcelona dürften sich Pilot und Co-Pilot normal unterhalten haben und sogar noch gescherzt haben. Dann bittet der Flugkapitän den 27-jährigen Copiloten (Bezirksbehörden korrigierten die Altersangaben von 28 auf 27 Jahre) das Kommando zu übernehmen und man hört wie ein Sitz zurückgefahren wird, sich die Tür öffnet und wieder schließt. Wenig später will der Pilot offenbar wieder zurück in das Cockpit, doch aus dem Inneren gibt es keine Reaktion mehr. Der Copilot hat kurz nach Verlassen des Kapitäns "bewusst den automatischen Sinkflug eingeleitet, sowie verweigert, die Tür zum Cockpit zu öffnen", sagen die Ermittler. Zuerst klopft der Pilot an die Tür, dann hört man heftige Schläge. Im Inneren des Cockpits ist bis zum Absturz nur noch "schweres Atmen" zu hören, was bedeutet, dass der deutsche Copilot bis zuletzt am Leben war. Gesprochen hat er nicht mehr.

Die Ermittler gaben weiters bekannt, dass aus dem Flugzeug kein Notruf abgesetzt worden sei. Auch Versuche der Kontaktaufnahme durch andere Flugzeuge und den Tower in Marseille wurden ignoriert.

Bis zum endgültigen Aufprall hört man auf den Aufzeichnungen im Voice Recorder einen ersten Schlag, als würde das Flugzeug auf einen Hang aufschlagen, bevor es dann offenbar gegen eine Felswand geprallt ist.

Auf die Frage, ob die Fluggäste das Unglück mitbekommen haben, antwortet Robin: "Es sind erst wenige Augenblicke vor dem Aufprall Schreie zu vernehmen. Wir gehen davon aus, dass das den Passagieren ganz kurz vorher bewusst geworden ist."

Flugzeugwrack bei Seyne-les-Alpes
Flugzeugwrack bei Seyne-les-AlpesReuters

Lufthansa-Vorstand "geschockt"

Der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Lufthansa AG, Carsten Spohr, zeigte sich in einer Pressekonferenz am Donnerstag über die bisherigen Ermittlungsergebnisse schockiert: "Auch in unseren schlimmsten Albträumen hätten wir uns nicht vorstellen können, dass das in unserem Konzern passieren kann. Wir prüfen unser Personal, vor allem das Cockpit-Personal, ganz genau."

Beide Piloten hätten die Ausbildung ohne Auffälligkeiten durchlaufen, die fliegerische Leistung sowie der gesundheitliche Zustand der beiden seien "einwandfrei" gewesen. "Wir versuchen, bei der Auswahl nicht nur kognitive und technische Fähigkeiten zu prüfen, sondern lassen im Auswahlverfahren viel Raum für psychologische Eignung," so Spohr.

Copilot war "100 Prozent flugtauglich"

Der 28-jährige Copilot hätte "alle Checks bestanden, er war 100 Prozent flugtauglich ohne Einschränkungen oder Auflagen". Der Mann habe 2008 bei Germanwings eine Ausbildung begonnen und für elf Monate unterbrochen. Eine solche Unterbrechung sei nicht unüblich. In dieser Zeit habe der spätere Copilot als Flugbegleiter gearbeitet und später nach neuerlicher Eignung die Piloten-Ausbildung wieder aufgenommen.

Seit 2013 sei er als "Erster Offizier" auf einem Airbus A320 eingesetzt gewesen. Er habe alle Tests und Prüfungen bestanden, versicherte Spohr, der auf den psychologischen Eignungstest der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt verwies, der weltweit als das führende Verfahren zur Auswahl von Cockpit-Personal gelte.

Spohr bedaure zutiefst, dass "egal wie hoch die Sicherheitsvorkehrungen sind - ein solches Einzelereignis lässt sich nicht ausschließen."

Alle 150 Insassen kamen ums Leben

Der Germanwings-Airbus A320 war am Dienstag auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf abgestürzt und in zerklüftetem Gelände zerschellt. Bei dem Unglück kamen 150 Menschen ums Leben, darunter auch eine 16-köpfige Schülergruppe mit zwei Lehrerinnen. Am Donnerstag bezifferte das Auswärtige Amt Deutschlands die Opferzahl deutscher Staatsbürger mit 75. Auch mehr als 50 Spanier waren laut dortigem Krisenstab an Bord. Nach derzeitigem Stand gibt es keine Informationen über mögliche österreichische Opfer.

Am Mittwoch wurden die ersten Opfer geborgen. Sterbliche Überreste der Getöteten seien am späten Mittwochnachmittag von der Unglücksstelle weggebracht worden, so ein Polizeisprecher in Digne. Er ließ offen, wie viele Leichen geborgen wurden. Zugleich ging die Suche nach dem zweiten Flugschreiber in dem Trümmerfeld weiter.

(Red./APA/dpa)

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