Copilot am Flugtag wegen psychischer Probleme krankgeschrieben?

Bild vom Absturzort.
Bild vom Absturzort.(c) REUTERS (EMMANUEL FOUDROT)
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In der Wohnung von Andreas L. wurde eine zerrissene Krankschreibung für den Absturztag gefunden. Demnach hätte er wohl längere Zeit nicht fliegen dürfen.

Der Copilot, der den Absturz eines Airbus A320 der Germanwings über Südfrankreich am Dienstag absichtlich verursacht haben soll, hätte offenbar gar nicht im Cockpit sitzen dürfen. Wie die Staatsanwaltschaft Düsseldorf am Freitag bekannt gab, wurde in seiner Wohnung auch eine zerrissene Krankschreibung für den Absturztag gefunden.

Bei der Durchsuchungen seiner Wohnungen wurden "Dokumente medizinischen Inhalts" sichergestellt, die auf eine bestehende Erkrankung und entsprechende ärztliche Behandlungen hinweisen, betonte die Anklagebehörde. (>> Erklärung der Staatsanwaltschaft weiter unten) Dabei seien unter anderem "zerrissene, aktuelle und auch den Tattag umfassende Krankschreibungen" gefunden worden. Das unterstütze "nach vorläufiger Bewertung" die Annahme, dass der Verstorbene "seine Erkrankung gegenüber dem Arbeitgeber und dem beruflichen Umfeld verheimlicht hat". Um welche Krankheit es sich handelte, ließ die Staatsanwaltschaft offen.

Laut "Süddeutsche Zeitung" erfolgte die Krankschreibung am Absturztag aber aufgrund psychischer Probleme. Demnach soll diese von einem Neurologen und Psychiater im Rheinland stammen. Hätte der 27-Jährige dieses Attest Germanwings vorgelegt, hätte er wohl längere Zeit nicht fliegen dürfen. berichtet die "SZ". Deshalb dürfte er die Krankschreibung zerrissen haben. Der Fluggesellschaft Germanwings lag jedenfalls nach eigenen Angaben keine Krankschreibung vor.

Bereits in der Früh hatten deutsche Medien berichtet, dass der Copilot psychische Probleme hatte. Ermittler hätten Hinweise auf eine psychische Erkrankung entdeckt, meldete Spiegel Online am Freitag. Nach einem Bericht von "Bild" befand sich der 27-Jährige vor sechs Jahren insgesamt eineinhalb Jahre in psychiatrischer Behandlung. Er sei in seinen Flugkursen mehrfach wegen Depressionen zurückgestuft worden. Bei Abschluss seiner Ausbildung 2009 wurde dem Bericht zufolge eine "abgeklungene schwere depressive Episode" diagnostiziert.

Auch vor dem Flugzeugabsturz habe er sich in "besonderer, regelhafter medizinischer Betreuung befunden", berichtete "Bild". Auch ein Vermerk in der Akte des Copiloten beim Luftfahrtbundesamt habe auf massive psychische Probleme hingedeutet.

Abschiedsbrief oder Bekennerschreiben fanden die Ermittler in der Wohnung des Copiloten nicht. Es gebe keine Anhaltspunkte für einen politischen oder religiösen Hintergrund. Die Ermittlungsbehörden hatten die Wohnungen des Copiloten in Düsseldorf und in Rheinland-Pfalz durchsucht. Anhaltspunkte für einen politischen oder religiösen Hintergrund des Geschehens seien nicht gefunden worden.

Fluglinien ändern Cockpit-Regeln

Unterdessen haben immer mehr Fluglinien aufgrund der Geschehnisse beim Absturz ihre Regeln im Cockpit geändert. Demnach müssen die Cockpits in Zukunft immer von zwei Personen während eines Fluges besetzt sein. Die EU überlegte am Freitag ebenfalls wegen zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen. Demnach laufen Gespräche mit der Industrie und den EU-Staaten.

In der europäischen Luftfahrt war es nach Angaben eines Sprechers der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) bisher nicht vorgeschrieben, dass ein Pilot, wenn er das Cockpit verlässt, durch ein Besatzungsmitglied ersetzt wird. In den USA sehen die Richtlinien der Luftfahrtbehörde FAA hingegen vor, dass sich grundsätzlich zwei Personen im Cockpit befinden.

"Die ständige Anwesenheit von zwei Personen im Cockpit ist Pflicht", sagte eine FAA-Sprecherin. Sollte sich einer der Piloten entfernen müssen, so müsse er für diese Zeit von einem Besatzungsmitglied ersetzt werden.

Die Erklärung der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom Freitag im Wortlaut:

"Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat am gestrigen Abend die Durchsuchung der Wohnungen des verstorbenen Kopiloten in Düsseldorf und Rheinland-Pfalz abgeschlossen.

Die Maßnahmen haben nicht zur Auffindung eines sog. Abschiedsbriefes oder Bekennerschreibens geführt. Ebenso wenig haben sich Anhaltspunkte für einen politischen oder religiösen Hintergrund des Geschehens ergeben.

Allerdings wurden Dokumente medizinischen Inhalts sichergestellt, die auf eine bestehende Erkrankung und entsprechende ärztliche Behandlungen hinweisen. Der Umstand, dass dabei u.a. zerrissene, aktuelle und auch den Tattag umfassende Krankschreibungen gefunden wurden, stützt nach vorläufiger Bewertung die Annahme, dass der Verstorbene seine Erkrankung gegenüber dem Arbeitgeber und dem beruflichen Umfeld verheimlicht hat. Vernehmungen hierzu sowie die Auswertung von Behandlungsunterlagen werden noch einige Tage in Anspruch nehmen. Sobald belastbare Erkenntnisse vorliegen, werden wir die Angehörigen und die Öffentlichkeit weiter informieren.

Die Kolleginnen und Kollegen in Frankreich sind vom Dezernenten des Verfahrens über die vorläufigen Ergebnisse der auch von französischer Seite angeregten Maßnahmen in Kenntnis gesetzt worden."

FAKTEN

Der Airbus 320 der deutschen Lowcost-Gesellschaft Germanwings ist am Dienstag mit einer Reisegeschwindigkeit von rund 890 km/h in eine Flanke des Massif des Trois-Évêchés in den Alpen – rund 100 Kilometer nördlich von Nizza – geflogen und zerschellt. Der Airbus hat sich in einem acht Minuten langen Sinkflug befunden, der vom Ko-Piloten der Maschine absichtlich herbeigeführt worden ist. An Bord befanden sich 150 Personen, hauptsächlich Deutsche und Spanier.

(APA/dpa)

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