Amanda Knox: Zu drei Vierteln frei - und einige offene Fragen

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Überraschend findet das italienische Kassationsgericht keine Schuld bei Amanda Knox und Raffaele Sollecito. Aber wer war dann an dem Mord beteiligt?

Rom. Mit einem derart günstigen Urteil haben nicht einmal die Verteidiger gerechnet: Amanda Knox (29) und ihr früherer Freund Raffaele Sollecito (31) sind endgültig freigesprochen worden. Siebeneinhalb Jahr nach dem bestialischen Mord an der britischen Austauschstudentin Meredith Kercher befand das italienische Kassationsgericht in letzter Instanz, Knox und Sollecito hätten „die Tat nicht begangen“.

Freilich, restlos überzeugt scheinen nicht einmal die obersten Richter zu sein. Sonst hätten sie ihrem eigentlich klaren Freispruch nicht angefügt: „aus Mangel an Beweisen“. Wie auch immer: Die Amerikanerin Knox und der Italiener Sollecito sind endgültig frei. Umso „überraschter und schockierter“ äußerte sich in England Arline Kercher, die Mutter der Ermordeten. „Schwer zu schlucken“ sei dieser Freispruch für die Angehörigen, sagte der Anwalt der Familie Kercher.

Auf die neue Urteilsbegründung muss man einige Wochen warten. Erst dann wird klar sein, wie die Höchstrichter zu ihrem Freispruch gefunden haben – und wie sie mit dem Widerspruch umgehen, der nun nicht mehr zu lösbar scheint: Der Einzige, der in dieser Sache rechtskräftig verurteilt ist – Rudy Guede (28) –, hat seine 16 Jahre Haft nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Mitwirkung an einer gemeinschaftlich begangenen Tat bekommen. Wenn aber Knox und Sollecito als Tatbeteiligte ausfallen: Wer hat dann Meredith Kercher erstochen?

Spekulationen gehen in Rom nun dahin, dass die Kassationsrichter ihren Freispruch eher mit dem „Fehlen an Beweisen“ begründen – und die italienische Spurensicherung heftig für die Schlampereien rüffeln werden, mit denen der Tatort untersucht und eine ordentliche Beweisführung erschwert worden ist. Das aufsehenerregendste Beispiel war jener Büstenhalter des Opfers, der in der blutverschmierten Studenten-WG von Perugia 46 Tage unbeachtet auf dem Boden gelegen war.

Enormer Druck aus den USA

In einem offenen Brief zerriss eine Gruppe von US-Wissenschaftlern den Umgang der italienischen Justiz mit dem DNA-Material – ein Beispiel für den enormen Druck aus den USA, dem sich die Gerichte ausgesetzt sahen. Knox, die nach dem ersten Freispruch 2011 nach Hause gereist war, hatte ihre Landsleute durch Medienwirbel weitgehend auf ihre Seite gebracht.

Für die vier Jahre, die sie und Sollecito in Italien eingesessen haben, werden beide nun den Staat auf Entschädigung verklagen. Amanda Knox wird allerdings nicht viel bekommen: Drei Jahre ihrer Haft gelten als rechtmäßig. Sie ist dazu endgültig verurteilt worden, weil sie zunächst einen afrikanischen Musiker und Barbetreiber in Perugia für den Mord an ihrer Mitstudentin verantwortlich gemacht hat. Es war blanke Verleumdung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2015)

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