Airbus-Crash: Copilot vor Jahren suizidgefährdet

Die Suche nach dem Flugdatenschreiber geht weiter
Die Suche nach dem Flugdatenschreiber geht weiter(c) REUTERS (GONZALO FUENTES)
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Laut Staatsanwaltschaft Düsseldorf ist Andreas L., bevor er den Pilotenschein erwarb, in Psychotherapie gewesen. Es fehlen allerdings aktuelle psychische Verdachtsmomente.

Düsseldorf/Barcelona. Im Zug der Ermittlungen nach dem Absturz des Airbus A320 der Germanwings vorige Woche in Südfrankreich, der vom Copiloten womöglich absichtlich eingeleitet worden war, wurden am Montag den Ermittlungsbehörden in Deutschland wichtige Unterlagen übergeben: Es waren Krankenakte des Copiloten Andreas L., die am Uniklinikum Düsseldorf auflagen: Dort war der 27-Jährige, der 149 Menschen mit in den Tod riss, vor einigen Wochen als Patient vorstellig geworden.

Eine Sprecherin der Klinik wollte nicht auf den Inhalt der Akten eingehen. Am Nachmittag aber gab die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bekannt, dass L. vor einigen Jahren – noch vor Erlangung seines Pilotenscheines – wegen Selbstmordgefahr in psychotherapeutischer Behandlung gewesen war. Laut Staatsanwaltschaft gibt es aber weder aus seinem familiären Umfeld noch aus seiner Arbeitsumgebung Hinweise auf Motive oder eine Gemütslage, die ihn jetzt dazu bewogen haben könnten, einen Flugzeugabsturz einzuleiten.

Aus der Klinik hat es zuvor nur geheißen, dass L. dort wegen „diagnostischer Abklärungen“ gewesen sei, von Februar bis März 2015 mindestens dreimal. Die Abteilung wurde nicht genannt; man dementierte Berichte, er sei wegen Depressionen gekommen. Am Wochenende ist wiederholt, etwa in der „Welt am Sonntag“, die Rede davon gewesen, man habe in der Düsseldorfer Wohnung von L. „Medikamente zur Behandlung einer psychischen Erkrankung“ gefunden, man schrieb auch von Augenproblemen. Laut Staatsanwaltschaft wurden in der Wohnung in Düsseldorf und einem Haus in Montabaur zerrissene Krankschreibungen gefunden, die den Dienstag voriger Woche (den Unglückstag) umfassten. L. erschien dennoch zur Arbeit.

Bergungskräfte aus Israel

Die Bergungsmannschaften in Südfrankreich hoffen, die Überreste der Abgestürzten bis Ende der Woche geborgen zu haben. Angeblich wurde DNA von 78 Personen gesichert. Meldungen, es seien Teile des Copiloten identifiziert worden, wurden vom zuständigen französischen Staatsanwalt, Brice Robin, dementiert. Man habe im Übrigen noch kein Opfer identifizieren können. Aus Israel reisen in Kürze acht Bergungsexperten der streng religiösen Organisation Zaka an: Die Zaka-Leute sammeln nach Selbstmordanschlägen vor Ort mit Akribie auch kleinste Körperteile auf, um die Toten nach Möglichkeit vollständig begraben zu können.

An der schwer zugänglichen Unglücksstelle in rund 1800 Metern Höhe geht die Suche nach dem Flugdatenschreiber weiter: Bisher wurde der Stimmenrekorder entdeckt und ausgewertet; daraus hat man geschlossen, dass sich L. im Cockpit eingesperrt und den Sinkflug eingeleitet habe, nachdem der Pilot aufs Klo gegangen ist. Pilot und Crew hätten versucht, die Tür aufzubrechen, sogar mit einer Axt; aber Cockpittüren müssen seit dem Anschlag vom 11. September 2001 in New York einbruchsicher sein.

Peilsender inaktiv

Die Ermittler schließen vorerst auch einen Defekt nicht aus. Die Suche nach dem Flugschreiber aber wird durch die Tatsache erschwert, dass er zwar einen Peilsender hat, aber: Der löst nur in Wasser aus. Man hat es nicht für nötig gehalten, dass sich der Sender bei jedem Absturz aktiviert, es waren bei Abstürzen über Land die Blackboxes eigentlich immer entdeckt worden. Das dürfte nun geändert werden, und mehr: Airbus will vorerst seine Modelle A350 und A380 mit Flugdatenschreibern ausstatten, die kurz vor einem absehbaren Aufprall automatisch ins Freie geschossen werden, um ihre Bergung zu erleichtern. Auch wird man die Funktionsdauer des Unterwassersenders von 30 auf 90 Tage verlängern.

HINTERGRUND

Der A320 der Germanwings ist vorigen Dienstag mit etwa 800 km/h frontal in eine Bergflanke in den französischen Alpen in 1800 Metern Höhe gerast. Bei der Geschwindigkeit ist der Jet komplett zerborsten, es blieben kaum Teile von mehr als zwei bis drei Metern Größe übrig. Selbst der Flugschreiber könnte bei dieser enormen Gewalt zerstört werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2015)

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