Das Ärztegesetz in Österreich kennt Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht. Das Urteil rund um einen Rettungsfahrer klärte offene Fragen.
Wien. Können Mediziner Alarm schlagen, wenn sie mit einem Fall wie dem des möglicherweise psychisch beeinträchtigten Germanwings-Copiloten konfrontiert wären? „Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass in Österreich die Ärzte die Luftfahrgesellschaft hätten verständigen dürfen“, sagt Günter Tews, Jurist in der Linzer Anwaltssocietät Sattlegger Dorninger Steiner Partner. Zumal das Ärztegesetz Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht kenne, wie Tews gegenüber der „Presse“ betont: Etwa, wenn die Offenbarung des Geheimnisses „zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege unbedingt erforderlich ist“.
Wichtige Aussagen dazu traf der Oberste Gerichtshof (OGH) bereits vor Jahren nach der Klage eines Rettungsfahrers. Er war alkoholbedingt in einem Lokal zusammengebrochen. Der Arzt im Spital wollte den Mann stationär aufnehmen, was dieser ablehnte: Er verlangte, von seinen Kollegen vom Arbeiter-Samariterbund abgeholt zu werden und wurde aggressiv. Der Arzt rief den diensthabenden Sanitäter der Leitstelle des Arbeiter-Samariterbundes an, der darauf angab, der eingelieferte Kollege neige zu übermäßigem Alkoholkonsum. Weil der Mann eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen könnte, machte die Krankenanstalt darauf Meldung an den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft. Nach einer Untersuchung durch den Amtsarzt verlor der Mann wegen seiner sichtlichen Probleme den Führerschein, wodurch er nicht mehr als Rettungsfahrer arbeiten konnte.
Schadenersatzklage scheiterte
Nun forderte der Mann Schadenersatz, da die ärztliche Schweigepflicht verletzt worden sei. Der OGH wies die Klage ab: Der Kläger sei als „unkalkulierbar“ einzustufen. Um die Verletzung von Personen zu vermeiden, habe das Spital die Schweigepflicht brechen dürfen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2015)