Airbus-Absturz: Angeblich Video aus Unglücksjet

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„Paris Match“ und „Bild“ wollen an ein Video gelangt sein, das kurz vor dem Einschlag entstanden ist. Lufthansa gab zu, von Problemen des Copiloten gewusst zu haben.

Paris/Berlin. Im Zuge der Ermittlungen nach dem mutmaßlich vom Copiloten absichtlich herbeigeführten Absturz des Germanwings-Airbus über den französischen Alpen am 24. März kam es in der Nacht auf Mittwoch zu überraschenden Entwicklungen.

So behaupteten die französische Illustrierte „Paris Match“ und die deutsche „Bild“-Zeitung in ihren Online-Ausgaben gleichzeitig und aufeinander weisend, im Besitz eines wenige Sekunden langen Videos zu sein, das jemand im A320 mit seinem Mobiltelefon kurz vor dem Einschlag auf dem Berg aufgezeichnet habe. Es sei ganz hinten im Flieger entstanden und unklar, ob der Filmer gestanden oder gesessen sei, dieser sei auch noch unbekannt. Die Szenerie sei chaotisch, der Film verwackelt und man könne keine einzelnen Personen identifizieren. Die Tonspur zeuge von Schreien, schreibt „Paris Match“, und: „Man hört in mehreren Sprachen Rufe wie ,Mein Gott‘.“ Auch höre man mindestens dreimal Geräusche von metallisch klingenden Schlägen, die vermuten ließen, dass der Pilot mit einem schweren Gegenstand die Tür des Cockpits aufbrechen wolle. Nach einer starken Erschütterung würden die Schreie noch lauter. Danach herrsche Stille. Die Echtheit des Videos sei „unzweifelhaft“, schreiben beide Medien, die das Video oder Einzelbilder daraus nicht veröffentlicht haben. Es bestätige den Lauf der Ereignisse, wie man ihn vom Cockpit-Voicerecorder kenne. Offenbar habe der Jet vor dem Aufprall zuerst mit einem Flügel eine Bergspitze berührt.

Französische Behörden dementieren

Die französischen Behörden dementierten am Mittwoch den Bericht: Er sei „völlig falsch“, sagte Oberstleutnant Jean-Marc Ménichini von der Gendarmerie. Seinen Angaben zufolge werden alle am Unfallort gefundenen Mobiltelefone sowie alle persönlichen Sachen für die Ermittlungen sichergestellt. Man habe bisher keine Speicherkarten ausgewertet, elektronische Geräte würden an ein Labor in Rosny-sous-Bois bei Paris weitergeleitet. Falls der Film dennoch existiert, wäre sein Auftauchen außerhalb der Ermittlungen ein gravierender Vorfall: Es würde als Unterschlagung von Beweismitteln ein Delikt darstellen. Der Marseiller Staatsanwalt Brice Robin, Leiter der Untersuchung, reagierte entsprechend irritiert: „Falls tatsächlich jemand ein solches Video besitzt, muss dieses unverzüglich ausgehändigt werden.“

Die Lufthansa, die Mutter von Germanwings, räumte unterdessen entgegen früheren Behauptungen ein, dass man wusste oder hätte wissen müssen, dass Copilot Andreas L. (27) psychische Probleme gehabt habe.

Pilotenschule war informiert

L. habe, nachdem er seine Pilotenausbildung bei der Lufthansa-Flugschule für einige Monate unterbrochen hatte, der Schule 2009 mitgeteilt, dass er schwer depressiv gewesen, die Erkrankung aber vorbei sei. Die Nachrichtenagentur Reuters behauptete ferner unter Berufung auf einen Informanten, L.s Pilotenschein trage einen Vermerk bezüglich einer Vorerkrankung. Der Copilot habe am Flugtag aber ein „voll gültiges Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1“ gehabt, betonte Lufthansa, immerhin habe er alle regelmäßigen Gesundheitstests klar bestanden.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr ging am Mittwoch bei einem Besuch in der Nähe des Absturzortes auf keine diesbezüglichen Fragen ein. Man werde die Familien der Opfer des Absturzes weiter unterstützen, versprach er. Bisher zahlte der Konzern den Hinterbliebenen bis zu 50.000 Euro je Opfer.

Spohr (48) bedankte sich bei den Helfern, die im unwegsamen Berggebiet unter anderem die Reste der 150 Toten suchen. „Wir erfahren jeden Tag mehr über das Unglück, aber es wird lang dauern, um wirklich zu begreifen, wie es geschehen konnte.“ Der Flugdatenschreiber bleibt verschollen. (r. b./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2015)

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