Migration: 40.000 Asylwerber prognostiziert

A migrant walks barefoot after arriving by boat at the Sicilian harbour of Pozzallo
A migrant walks barefoot after arriving by boat at the Sicilian harbour of Pozzallo(c) REUTERS
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2014 brachten 28.064 Anträge das System aus dem Gleichgewicht. 2015 dürften es nach internen Berechnungen 43 Prozent mehr sein. Bisher lag die Schwelle für einen stabilen Gesamtapparat bei 18.000.

Wien. Volle Erstaufnahmezentren, unwillige Landeshauptleute und die (oft auch politisch geschürte) Furcht vor dem Fremden: Das sind die Zutaten, die, gemeinsam mit einem deutlichen Zuwachs an Anträgen, die Asyldebatte im Vorjahr befeuert haben. 28.064 Schutzsuchende aus dem Ausland brachten ein ganzes System aus dem Gleichgewicht.

Dabei war das wohl erst der Anfang eines Trends. Im Innenministerium, das die Themen Asyl und Migration bearbeitet, prognostizieren die Experten bereits jetzt intern einen Anstieg der Asylanträge auf 40.000 im laufenden Jahr. Gründe dafür sind der sich Monat für Monat verschärfende Zustrom aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten genauso wie der steigende Migrationsdruck aus Afrika.

Dabei sind diese 40.000 eher vorsichtig gerechnet. Es ist nämlich unwahrscheinlich, dass sich die 10.207 Anträge während der ersten drei Monate linear über den Rest des Jahres fortschreiben lassen. Traditionell ist das erste Quartal das schwächste im Zyklus. Aussagekräftiger ist der Vergleich mit dem ersten Quartal 2014. Im Vergleich dazu beträgt der aktuelle Zuwachs 149,7Prozent und nicht „nur“ 43 Prozent wie in der Jahresprognose.

Die Berechnung birgt jedoch nicht nur Inhalte für aus Prinzip zuwanderungskritische Stimmen. Sie stellt – wenn sie eintritt – den mit dem Thema befassten Verwaltungsapparat vor Herausforderungen. So wird die zuletzt und im Vergleich zu den vergangenen Jahren schnellere Abarbeitung der Verfahren bei gleich bleibenden Ressourcen unmöglich. Bisher galt eine Marke von etwa 18.000 Anträgen pro Jahr als jene Schwelle, bis zu der das Asylsystem von der Abwicklung bis zur öffentlichen Debatte im Gleichgewicht blieb. Dass bei höheren Werten die Debatten hitziger und die Verfahren länger werden, zeigen neben 2014 die Jahre 2002 bis 2005, in denen der Krieg in Afghanistan den Flüchtlingsstrom bestimmt hat.

Hohe Kosten, längere Verfahren

Neben Problemen in der Abarbeitung der Fälle, der Unterbringung der Betroffenen sowie der zu erwartenden politischen Auseinandersetzungen kommen auf die Länder, vor allem aber auf das Innenministerium auch finanzielle Hürden zu. Während der Verfahren haben Asylwerber einen Rechtsanspruch auf Grundversorgung, also Unterbringung, Verpflegung, Versicherung und Taschengeld. 60 Prozent davon zahlt der Bund, die restlichen 40 Prozent teilen die Länder sich nach dem Bevölkerungsschlüssel. Dauert ein Verfahren jedoch länger als ein Jahr, wird das Innenressort zum Alleinzahler. Letztendlich finanziert der Bund deshalb zwischen 70 und 75 Prozent der Grundversorgung.

Wie viel das 2014 war und im prognostizierten Jahr 2015 sein wird, will derzeit noch niemand sagen. Zu groß ist die Furcht vor einer aus dem Zusammenhang gerissenen Darstellung im Sinn fremdenfeindlicher Kritiker. Mithilfe anderer Quellen lässt sich jedoch die zu erwartende Größenordnung recht gut abschätzen. Vor zwei Jahren berichtete das Innenministerium dem Parlament, dass die Grundversorgung in den Jahren von 2009 bis 2012 Bund und Länder gemeinsam jährlich zwischen 82,9 und 126,1 Millionen Euro gekostet hatte. Dazu gibt es parlamentarische Protokolle. Im genannten Zeitraum langten pro Kalenderjahr zwischen 11.012 (2010) und 17.413 (2012) Asylanträge ein. Für 2015 sagen die Experten 40.000 (oder mehr) voraus. Zumindest eine Verdoppelung der Ausgaben scheint bei sehr konservativer Rechnung also wahrscheinlich.

(c) Die Presse

Zusätzlich zu diesen Ausgaben kommen die Kosten für die Verfahren selbst. Im Schnitt sind das laut Protokoll einer Ausschusssitzung 1400 Euro pro Flüchtling. Bei 40.000 Flüchtlingen entspräche dieser Punkt einer Summe von 56 Millionen Euro.

Der Streit um die Finanzierung oder ideologische Auseinandersetzungen um die Zuwanderung an sich verbessern jedoch die Lage nicht. Im Ausland verursachte Flüchtlings- und Migrationsströme lassen sich innenpolitisch nicht verhindern. Einer von mehreren Hebeln sind militärische Einsätze wie Beratungsleistungen für Armeen in Ländern, deren Bevölkerung von Milizen wie Boko Haram terrorisiert wird. Der Gedanke dahinter ist, die Lage vor Ort so weit zu beruhigen, dass zumindest für einige der Grund zur Flucht nicht gegeben ist. Das Bundesheer bildet deshalb, wie andere europäische Staaten auch, fremde Streitkräfte in Afrika aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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