Faktencheck: So (ungleich) werden Hilfesuchende verteilt

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Wenige Länder, darunter Österreich, wickeln die meisten Asylanträge ab. Echte Asylgründe liegen nur in jedem vierten Fall vor.

Italien fühlt sich mit der Überwachung des Mittelmeers und der Verfolgung von Schleppern überfordert. Österreich und einige andere Mitgliedstaaten bemängeln, dass sie einen Großteil der zuletzt 626.820 jährlichen Asylanträge in der EU abwickeln, während andere Länder fast keine Verfahren führen.

Stimmt das? Und stimmt es auch, dass das Asylverfahren in Europa längst von „normalen“ Migranten, häufig auch als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichneten Menschen, als Vehikel benutzt wird?

Bereits eine oberflächliche Recherche zeigt, wohin das Pendel schließlich auch in den Details ausschlägt. Ein gutes Beispiel hierfür ist Deutschland, das 2014 mit 202.815 Asylanträgen annähernd ein Drittel aller Verfahren in der Union abwickelte, tatsächlich jedoch nur 16 Prozent der knapp 500 Millionen Unionsbürger stellt. In anderen Worten bedeutet das: Die Last innerhalb der EU ist alles andere als fair verteilt. Das trifft zumindest dann zu, wenn man die Bevölkerungszahlen der Mitgliedstaaten als Maßstab heranzieht.

Schweden: 689 Prozent des Solls

Österreich zum Beispiel stellt 1,6 Prozent der Unionsbürger, wickelt jedoch 4,4 Prozent aller Asylanträge ab. Gemäß des fiktiven Einwohnerschlüssels müsste die Republik – bei zentral gesteuerter Verteilung der Asylwerber – jährlich nur 10.446 Verfahren annehmen. Tatsächlich waren es 28.064. Das entspricht einer Quotenerfüllung von 269 Prozent. Damit liegt Österreich auf Rang drei. Ungarn erfüllt sein rechnerisches Soll zu 349, Schweden gar zu 689 Prozent.

Auf Beamtenebene wird eine gerechtere Verteilung der Last bereits seit einiger Zeit diskutiert. Welche Länder auf dieser Ebene tendenziell für oder gegen eine von der Wohnbevölkerung abhängige Aufteilung sind, lässt sich leicht aus nebenstehender Grafik ablesen. Großbritannien wickelt mit knapp 63 Mio. Einwohner etwa gleich viele Verfahren wie Österreich ab, Spanien (46 Mio. Ew.) nicht einmal ein Viertel davon. In Estland (155 Verfahren), Kroatien (450) der Slowakei (330) und Portugal (445) sind Asylverfahren äußerst seltene Verwaltungsprozesse.

Bemerkenswert ist die ungleiche Verteilung der Asylerfahren noch aus einem anderen Grund. Die sogenannte Dublin-Verordnung der europäischen Asylpolitik besagt, dass ein Asylverfahren in jenem Land zu führen ist, das die legale Einreise entweder erlaubt, oder die illegale Einreise nicht verhindert hat. Für Länder ohne EU-Außengrenze wie Österreich (Schweiz und Liechtenstein sind Teil des Dublin-Abkommens, Anm.) bedeutet das, dass andere Nationen in den Randzonen der Union erstens nicht in der Lage sind, ihre Grenzen zu schützen, und zweitens wenig Bemühungen zeigen, die illegal eingereisten Asylwerber an der Weiterreise in andere, wirtschaftlich meistens attraktivere Mitgliedstaaten zu hindern.

Für Österreich kann man daraus folgenden Schluss ziehen: Da illegale Migration über den Luftweg wegen der strengen Kontrollen praktisch nicht stattfindet, kommen die meisten Asylwerber mit Schleppern über den Landweg. Bei Befragungen geben die wenigsten freiwillig an, wo sie die Grenze in die Union überschritten haben. Papiere fehlen in der Regel. Von zuletzt 28.064 Asylwerbern (für 2015 sind 40.000 prognostiziert) gingen im Vorjahr gerade einmal 3400 zurück an Partnerländer des Dublin-Abkommens.

Nur jeder Vierte hat Asylgrund

Bei genauerer Analyse der vorhandenen Daten fällt auch auf, dass – zumindest in Österreich – das Asylverfahren längst ein Vehikel für gewöhnliche Migranten geworden ist. Zumindest überwiegend. Seit dem Jahr 2004 fällten heimische Behörden 163.123 Asylentscheidungen. In nicht einmal einem Viertel davon (23 %) fand man auch tatsächliche Asylgründe. Mehr als die Hälfte der Entscheidungen (53 %) fiel negativ aus.

Zumindest ein Teil dieser Betroffenen durfte (bzw. darf) sich trotzdem zumindest zeitlich begrenzt in Österreich aufhalten. In der Fachsprache handelt es sich um sogenannte subsidiär Schutzberechtigte. Das sind Personen, die zwar nicht staatlich verfolgt werden, keinen Asylstatus haben, in ihrer Heimat jedoch Gewalt von Dritten – etwa von feindlichen Clans – befürchten müssen. 14.718 bekamen seit 2004 diese Art von Asyl auf Zeit gewährt.

Die dritte große Gruppe der „sonstigen Entscheidungen“ betrifft hauptsächlich Personen, die noch während des Verfahrens buchstäblich verschwanden, also entweder zurück-, oder wahrscheinlicher, in ein anderes EU-Land weiterreisten.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2015)

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