Gerettete berichten von Kollision mit Handelsschiff

Überlebende des Schiffsunflück mit mehr als 800 Toten im Hafen von Catania.
Überlebende des Schiffsunflück mit mehr als 800 Toten im Hafen von Catania.(c) REUTERS (ALESSANDRO BIANCHI)
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Die UNO geht von 800 Toten bei der jüngsten Flüchtlingstragödie aus. Verursacht wurde sie offenbar durch den Zusammenstoß mit einem Schiff, das helfen wollte.

Nach der Flüchtlingstragödie vor der Küste Libyens gehen die Vereinten Nationen nun von etwa 800 Todesopfern aus. "Man kann sagen, dass 800 Menschen gestorben sind", sagte die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Italien, Carlotta Sami, am Dienstag im sizilianischen Catania. Der Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Flavio Di Giacomo, bestätigte diese Schätzung.

Das Schiffsunglück soll von einer Kollision zwischen dem schwer beladenen Migrantenboot und einem portugiesischen Handelsschiff verursacht worden sein, das den Flüchtlingen helfen wollte. Das berichteten Überlebende den Vertretern des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR am Dienstag.

Massenpanik ausgebrochen

Ein tunesischer Schlepper, der das Flüchtlingsboot steuerte, ist demnach versehentlich gegen das Handelsschiff "King Jacob" geprallt. Dies löste Panik an Bord des überfüllten Flüchtlingsbootes aus, das ins Schwanken geriet und umkippte. Überlebende berichteten, dass sich an Bord des Schiffes circa 800 Personen befanden.

Der Kapitän des portugiesischen Schiffes hatte dagegen eine Kollision mit dem Flüchtlingsboot dementiert. Die Aussagen werden jetzt von der Staatsanwaltschaft von Palermo überprüft, die die Ursachen der neuen Flüchtlingstragödie ermittelt.

28 Überlebende, Kapitän festgenommen

Die italienische Polizei nahm unterdessen den tunesischen Kapitän und ein syrisches Besatzungsmitglied des Flüchtlingsschiffes fest. Dabei handelt es sich um einen 27-jährigen Tunesier und einen 25-jährigen Syrer. 27 Überlebende des Schiffsbruchs, zu denen auch die zwei Festgenommenen zählten, landeten in der Nacht auf Dienstag in der sizilianischen Stadt Catania.

Die beiden seien von anderen Überlebenden identifiziert worden, sagte der zuständige Staatsanwalt Giovanni Salvi. Auch der Flüchtling aus Bangladesch, der im Krankenhaus von Catania liegt, habe sie auf Fotos erkannt.

Nur 28 Menschen überlebten die vermutlich schlimmste Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer. Die Schlepper hätten viele von ihnen im Frachtraum eingesperrt. Nach Angaben eines Überlebenden befanden sich sogar 950 Flüchtlinge an Bord, darunter 50 Kinder und 200 Frauen.

Ausweitung der Seenothilfe

Als Reaktion auf die jüngsten Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer will die Europäische Union die Seenothilfe massiv ausweiten. Bei einem Krisentreffen der Außen- und Innenminister am Montag in Luxemburg wurden Pläne für die Verdoppelung der Mittel für die EU-Programme Triton und Poseidon auf den Weg gebracht. Sie sollen den Einsatz von deutlich mehr Schiffen ermöglichen und noch am Donnerstag auf einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs vorgelegt werden.

Neben der Ausweitung der Seenotrettung könnten künftig gezielt von Schleppern genutzte Schiffe beschlagnahmt und zerstört werden. Vorbild sei die militärische Anti-Piraterie-Mission Atalanta am Horn von Afrika, sagte der zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos in Luxemburg bei der Vorstellung eines Zehn-Punkte-Plans. Atalanta begleitet nicht nur zivile Schiffe, sondern zerstörte mehrfach auch Piratenlager.

Seit Beginn des Jahres sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) schon 30 mal mehr Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken als im Vorjahreszeitraum. Bisher seien 2015 mehr als 1750 Flüchtlinge ums Leben gekommen, sagte IOM-Sprecher Joel Millman am Dienstag vor Journalisten in Genf. Vor einem Jahr habe es zu diesem Zeitpunkt 56 Opfer gegeben.

Italienische Marine "erschöpft"

Die italienische Marine und Küstenwache ist unter Druck. "Wir sind erschöpft, wir sind mit einem wahren Ansturm konfrontiert und am Ende unserer Kräfte", klagte der Kommandant der italienischen Hafenbehörden, Admiral Felicio Angrisano am Dienstag.

Täglich seien 2000 Personen auf See und am Festland im Einsatz, um die Flüchtlinge zu versorgen. Marine, Küstenwache und Hafenbehörden seien seit Wochen arg unter Druck. "Wir sind mit einem biblischen Exodus konfrontiert. Wir leisten im Rahmen des EU-Einsatzes 'Triton', was möglich ist, doch jetzt ist die Zeit für eine Mobilisierung der EU gekommen", meinte Angrisano im Gespräch mit der römischen Tageszeitung "La Repubblica".

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(APA/AFP)

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