Ecuador: Mit „Werten“ gegen Teenie-Mütter

Correa
Correa(c) Bloomberg (Meridith Kohut)
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Der ecuadorianische Präsident, Correa, will gegen die hohe Zahl an Schwangerschaften Minderjähriger vorgehen – und verzichtet auf das staatliche Verteilen von Präservativen.

Quito/Bueno Aires. Einsicht in eigene Fehler ist im internationalen Politikgeschäft nicht allzu oft zu vermerken. Gelegentlich manifestiert sich diese in maßvollen Korrekturen des Regierungskurses, aber eine Vollbremsung samt Kehrtwende, wie sie Rafael Correa nun hingelegt hat, ist eine ziemliche Seltenheit.

Ecuadors Staatschef hat seine Bürger wissen lassen, dass die bisherige Familienpolitik ein totaler Misserfolg sei. Dabei war die „Nationale Strategie zur Familienplanung und der Vermeidung von Schwangerschaften Minderjähriger“ von seiner eigenen Regierung vor fünf Jahren ins Leben gerufen worden. Die nun formell begrabene Strategie setzte unter Führung des Gesundheitsministeriums vor allem auf medizinische Prävention. Telefonische Hotlines gaben Jugendlichen die Möglichkeit, über Dinge zu sprechen, die in den vielfach katholisch geprägten Elternhäusern nicht in den Mund genommen wurden. Gleichzeitig wurden in vielen öffentlichen Ambulatorien des 16-Millionen-Einwohner-Staats Automaten installiert, die Präservative gratis abgaben. Die Kondome wurden kräftig nachgefragt – aber noch immer wird jedes fünfte Kind von einer Mutter geboren, die jünger als 18Jahre ist.

„Reinster Hedonismus“

Nun gibt es keine Kondome mehr vom Staat – und der Präsident, der sich nach dem Tode Hugo Chávez' gern als Leitfigur des lateinamerikanischen Progressismus inszeniert, begründet das mit Argumenten, die auch aus einer Moralkommission der katholischen Kirche hätten kommen können: Die bisherige Strategie „basierte auf reinstem und hohlstem Hedonismus – Lust um der Lust wegen“, dozierte Correa, und empfahl: „Werte, wir müssen über Werte sprechen.“ Bislang hätten viele „Schlaumeier gesagt: ,Ich bin frei und genieße meine Sexualität.‘ Wenn das so ist, könnte auch mein Hund Sigismund behaupten, er sei frei, denn er hat Spaß am Sex“, ironisierte der Präsident, ohne indes Zweifel daran zu lassen, wie ernst es ihm mit dem Richtungswechsel sei.

Diesen soll nun Mónica Hernández implementieren, die von Correa an die Spitze des Plan Familia Ecuador berufen wurde. Die Ärztin, die in Interviews ihren Respekt vor dem ultrakonservativen Opus Dei ausgedrückt hat, will die Familien wieder in den Mittelpunkt stellen. „Ich verstehe nicht, wie vorher auf die Familien verzichtet werden konnte“, sagte die Medizinerin. „Um glückliche und selbstsichere Jugendliche zu haben, brauchen wir unbedingt die Familien, die Werte prägen helfen.“

In dem nun auf 98 Druckseiten publizierten Regierungsplan ist vorgesehen, Eltern in neu zu gründenden Elternschulen zu unterweisen und sie zu motivieren, auf ihre Kinder zuzugehen, um jene Dinge zu thematisieren, über die „man nicht spricht“. Auch achtstündige Elternseminare sind geplant, zusätzlich sollen Komitees gegründet werden, in denen sich Eltern von Jugendlichen austauschen und gegenseitig bestärken sollen, sagte Hernández.

„Auch Brause ist gefährlich“

Aus dem Präsidentenpalast bekam die Medizinerin zusätzlichen Beistand. Alexis Mera, Rechtsberater und einer der engsten Vertrauten des Präsidenten, erklärte der erstaunten Reporterin der führenden ecuadorianischen Zeitung „El Comercio“: „Der Staat muss die jungen Frauen unterweisen, dass es besser ist, ihr Sexualleben und ihre Empfängnisbereitschaft aufzuschieben, damit sie ihre Ausbildung abschließen können. Das kann zu einer besseren Entwicklung der Frauen beitragen.“ Der Staat, so der einflussreiche Jurist, müsse seine Bürger vor Gefahren warnen. „Wir sagen ja auch, dass braune Brausen mit hohem Zuckeranteil gefährlich sind, wenn man nicht aufpasst.“

FAKTEN

Frühe Schwangerschaft. Pro Jahr bekommen weltweit etwa 7,3 Millionen Teenager ein Kind, zwei Millionen davon sind gar unter 15 Jahre alt. Das geht aus einem Weltbevölkerungsbericht der UNO hervor. 17,2 Prozent der Ecuadorianer bekommen ihr erstes Kind als Jugendliche im Alter zwischen 15 und 19Jahren. Das ist nach Nicaragua die zweithöchste Rate jugendlicher Eltern Lateinamerikas.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2015)

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