Nepal: Zahlreiche Österreicher nach Beben vermisst

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Zu 22 Personen hat das Außenministerium in Wien bisher keinen Kontakt. Viele von ihnen sind in dem unwegsamen Land in Trekkinggruppen unterwegs - in Gegenden, in denen Handys meist nicht funktionieren. Hilfsorganisationen aus Österreich machen sich auf den Weg.

Wien/Kathmandu. Die Informationen drangen nur langsam nach Wien durch. Nepal, das am Wochenende von einem schweren Erdbeben erschüttert wurde, hat keine mit Österreich vergleichbare Kommunikationsinfrastruktur. Sonntagmittag zog das Außenministerium Bilanz: Zumindest 88 Österreicher dürften sich zum Zeitpunkt des Bebens in dem unwegsamen Land am Himalaja befunden haben. Diese Liste ergab sich insbesondere durch Anrufe von besorgten Angehörigen. Der Großteil von ihnen sind Touristen, Bergsteiger oder Mitglieder von Trekkinggruppen. Aufgrund von Erfahrungswerten aus anderen Jahren geht das Außenressort jedoch davon aus, dass sich derzeit ungefähr 250 Österreicher in Nepal befinden dürften.

Zu einigen Dutzend von ihnen konnten die Behörden bisher Kontakt aufnehmen. Alle waren unverletzt. Die meisten von ihnen berichteten, vom verheerenden Naturereignis bisher nichts mitbekommen zu haben.

Von 22 Personen fehlt bisher jedoch jede Spur. Wobei das in dem zum Teil nur sehr schwer zugänglichen Land nicht viel zu bedeuten hat. Während sich der Großteil der knapp 26 Millionen Einwohner im flachen Süden des Landes drängt, ist der unzugängliche Norden mit dem Himalaja nahezu unbewohnt. In genau dieser Region halten sich jedoch insbesondere Wanderer und Freizeitsportler auf. Die Kontaktaufnahme dort gestaltet sich schwierig. Das Straßen- und Schienennetz in Nepal ist dürftig, auch Telefone und Mobiltelefone sind in den gebirgigen Abschnitten des Landes nur an zentralen Orten verfügbar.

Anlaufstelle für Österreicher vor Ort ist das Honorarkonsulat in der Hauptstadt Kathmandu. Das Gebäude blieb bei dem Beben unbeschädigt. Österreichs Außenamtssprecher, Martin Weiss, sagte am Sonntagabend, dass ein Mitarbeiter der Botschaft im indischen Neu Delhi nach Nepal beordert worden sei, um dort die Arbeit des Honorarkonsuls zu unterstützen.

Österreicher am Mount Everest

Neben den zahlreichen Touristen und einigen wenigen Wirtschaftstreibenden befindet sich derzeit auch eine kleine Gruppe von Extrembergsteigern in Nepal. Unter ihnen der blinde Alpinist Andy Holzer sowie der Grazer Clemens Strauss.

Beide sitzen derzeit an den Hängen des 8848 Meter hohen Mount Everest fest. Das in etwa 5300 Metern Höhe befindliche Basislager auf der Südseite des höchsten Bergs der Welt wurde von einer Lawine, die vermutlich durch das Erdbeben ausgelöst wurde, verwüstet. Dabei starben zumindest 18 Personen. Am Everest ist im Frühling Hauptsaison. Bevor im Sommer der von Süden kommende Monsun den Aufstieg unmöglich macht, befinden sich zu dieser Jahreszeit mehrere Dutzend, momentan angeblich über 100 Abenteurer gleichzeitig im Camp, um später den Angriff auf den Gipfel zu wagen.

Strauss, Holzer und seine drei österreichischen Begleiter befanden sich zum Zeitpunkt des Abgangs der Lawine weiter oben am Berg – und damit außerhalb der Gefahrenzone. Der Everest, schrieb Strauss in seinem Onlinetagebuch, habe jedoch „anständig gewackelt“.

Hilfsflug nach Nepal

Für Holzer ist es bereits das zweite Mal, dass sein Angriff auf den Gipfel von einer tödlichen Lawine gestört wird. Vor ziemlich genau einem Jahr befand er sich schon einmal an den Hängen des Everest. Damals wurden 16 nepalesische Sherpa unter den Schneemassen begraben. Alle damals am Berg tätigen Expeditionen brachen ihre Vorhaben ab. Dieses Jahr ist das jedoch noch nicht entschieden.

Das Beben in Nepal beschäftigt nicht nur die Österreicher vor Ort. Mehrere Hilfsorganisationen engagieren sich bereits dafür, das infrastrukturell schlecht ausgestattete Land zu unterstützen. Schon am Sonntag stiegen zwei Mitarbeiter des Roten Kreuzes ins Flugzeug nach Kathmandu, wo der internationale Flughafen nach einer mehrstündigen Sperre wieder geöffnet hat. Hauptaufgabe von Georg Ecker und Andrea Reisinger wird es sein, mit der ihnen zur Verfügung stehenden Ausrüstung Trinkwasser aufzubereiten.

Koordiniert wird der Einsatz von ihren Kollegen des nepalesischen Roten Kreuzes, das sich einen ersten groben Überblick über die Situation im Land verschafft hat. Weiters will das Rote Kreuz Medikamente und Nahrungsmittel nach Nepal schicken.

Die Johanniter-Unfall-Hilfe in Österreich sagte ebenfalls Hilfe zu. Mit einem Erkundungsteam wird am Sonntagabend von Deutschland aus eine österreichische Notfallsanitäterin in das Katastrophengebiet aufbrechen. Von der Caritas Österreich sollen am Montag zwei Mitarbeiter zur Unterstützung der lokalen Partner in Richtung Nepal abfliegen. „Die Situation ist dramatisch. Krankenhäuser und Leichenhäuser sind überfüllt, Blutkonserven und Medikamente gehen zur Neige“, teilte Caritas-Auslandsgeneralsekretär Christoph Schweifer mit. (awe/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2015)

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