Erdbeben: "Zahl der Toten wird steigen"

(c) APA/EPA/CARL WHETHAM
  • Drucken

Nach dem Beben der Stärke 7,8 in Nepal wurden bisher über 3200 Leichen geborgen. In einstürzenden Denkmälern und am Mount Everest kamen viele Touristen ums Leben.

Der Tod war jäh und mit überwältigender Kraft gekommen, als gewaltige Schneelawine, als Mure aus Schlamm und Geröll oder einfach – und vor allem – als Masse von Ziegeln und Steinbrocken einstürzender Gebäude.

Nach dem Beben der Magnitude 7,8 nach Richter in Nepal vom Samstag arbeiten Rettungsteams und Freiwillige unter Hochdruck daran, Verschüttete zu befreien. Viele Helfer gruben mit bloßen Händen Verletzte und Tote aus. Die Zahl der Todesopfer stieg bis Montag auf mehr als 3200, die der Verletzten auf mehr als 6500. Zudem kamen nach bisherigen Berichten mindestens 19 Bergsteiger und Sherpas am Fuß des Mount Everest durch eine Lawine um, die das Beben ausgelöst hatte.

Etwa 30 zum Teil schwere Nachbeben (eines hatte Stärke 6,6) versetzten die Menschen weiter in Angst. Seismologen meinen, dass es noch viele Wochen lang zum Teil heftige Nachbeben geben wird. Der erste Erdstoß hatte sich kurz vor Samstagmittag ereignet. Das Epizentrum lag im dicht besiedelten Kathmandu-Tal 77Kilometer nordwestlich von Kathmandu. Mit Stärke 7,8 war es das schwerste Beben im Land seit 1934. Die Erschütterungen waren weithin zu spüren: Auch in Indien, Tibet und Bangladesch kamen Menschen, wenn auch in weit kleinerer Zahl, in einstürzenden Gebäuden ums Leben. In Delhi wurde die U-Bahn gestoppt.

Kathmandus Wahrzeichen eingestürzt

Viele historische Gebäude wurden zerstört. Aufnahmen vom Dharahara-Turm in Kathmandu verdeutlichen die Gewalt: Der 60 Meter hohe Turm, einst Wahrzeichen der Stadt, ist eingestürzt. Hunderte Touristen waren auf dem Gelände vor oder in dem Turm, man fand viele Tote, Angaben über ihre Nationalität gab es bis Sonntagabend nicht. Von uralten Tempeln sind nur Trümmer übrig.

Vom Basislager am Mount Everest wurden Menschen per Hubschrauber ausgeflogen. Dort sitzen jedoch nach wie vor Hunderte fest: Schlechtes Wetter verhinderte weitere Rettungsflüge. Eine Lawine hatte einen Teil des Lagers zerstört; dort sowie im Umkreis des Lagers und auf dem Berg selbst hatten sich etwa 1000 Menschen aufgehalten, davon mindestens 350 ausländische Bergsteiger. Angeblich werden noch immer mindestens 217 Personen vermisst.

Tod in Bergsteigerzelten

Überlebende berichten, die meisten der Opfer seien gestorben, weil sie sich in Zelte geflüchtet hätten; wer sich hinter Felsen oder in Gräben versteckt habe, habe überlebt. Unter den Toten ist mindestens ein wichtiger Mitarbeiter des Google-Konzerns. Auch am Sonntag gingen Lawinen ab. Es ist das schwerste Unglück, das es am höchsten Berg der Welt bisher gegeben hat. „Die Zahl der Toten wird steigen“, sagte ein Sherpa, „viele Zelte sind weggefegt worden.“

In Kathmandu (1,5 Mio. Einwohner) trauen sich viele Menschen nicht in ihre Häuser zurück. Auf Aufnahmen des Fernsehsenders Kantipur TV waren Zeltstädte in Parks und entlang Hauptstraßen zu sehen, die Anwohner errichtet haben. Das Wetter ist schlecht, am Sonntag hat es geregnet, in der Nacht sinkt die Temperatur auf zwölf Grad.

Beobachter lobten die Arbeit der Krankenhäuser. Einige von ihnen wurden beschädigt, sind aber funktionsfähig. Ärzte und Sanitäter mussten jedoch viele Verletzte im Freien behandeln, da sich viele weigerten, die Gebäude zu betreten. Das Personal war indes vorbereitet: Seit 2010 haben die UNO und NGOs medizinisches Personal in Nepal für genau so einen Großeinsatz geschult. Einige Kliniken berichten aber, dass Arzneien und medizinische Güter zur Neige gingen.

Internationale Hilfe angelaufen

Die Regierung bat um internationale Hilfe. China entsandte vorerst ein 60-köpfiges Team, Indien ein Flugzeug mit Bergungsgerät und Versorgungsgütern, zudem vorerst zehn Hubschrauber, um abgelegene Bergdörfer anzufliegen. Über das Schicksal ihrer Bewohner ist vorerst wenig bekannt. Auch aus Österreich sind Helfer unterwegs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2015/APA/AFP)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.