Amtrak-Unglück: Zug war viel zu schnell unterwegs

(c) APA/EPA/JIM LO SCALZO
  • Drucken

Statt der erlaubten 80 km/h fuhr der Lokführer mit 160 km/h in eine scharfe Kurve. Mit funktionierendem Kontrollsystem wäre das Unglück nicht passiert, sagen Ermittler.

Philadelphia/Wien. Die Betätigung der Notbremse durch den Fahrer konnte das Unglück nicht mehr verhindern. Der Amtrak-Zug 188, der nahe der US-Millionenstadt Philadelphia in Richtung New York unterwegs war, entgleiste in einer scharfen Kurve mit einer bei Weitem überhöhten Geschwindigkeit von 160 km/h.

Am Donnerstag waren die Bergungsarbeiten am Unfallort noch immer im Gange. Philadelphias Bürgermeister, Michael Nutter, sprach von einer „katastrophalen“ Lage am Unfallort. „Diese Waggons zu sehen, diese riesigen Metallfahrzeuge auf dem Kopf liegend, eines davon fast entzweit, der Motor komplett getrennt, ist nahezu unbeschreiblich“ sagte Nutter.

Sieben Menschen wurden bei dem Zugsunglück getötet, mehr als 200 der geschätzten 243 Passagiere verletzt. Alle sieben Waggons wurden aus den Schienen gehoben und stürzten um. Ein Waggon war L-förmig verbogen. „Die Leute wurden auf den Boden geworfen“, sagte der 19-jährige Max Helfman, einer der Fahrgäste. Sitze seien aus der Verankerung gerissen worden, Koffer auf die Passagiere gefallen.

Dutzende der Insassen des Zuges, darunter fünf Mitglieder des Zugpersonals, wurden am Mittwoch im Krankenhaus behandelt. Andere konnten die Klinik laut CNN bald wieder verlassen. Sie hatten großteils Schnitt- und Schürfwunden, Prellungen und Knochenbrüche erlitten. Augenzeugen hatten von blutüberströmten Menschen berichtet, die durch Fenster ins Freie gezogen wurden. US-Präsident Barack Obama sprach von einer „Tragödie“.

Kein Kontrollsystem installiert

Warum war der Zug statt der erlaubten 80 Stundenkilometer mit einer doppelt so hohen Geschwindigkeit von 160 km/h unterwegs? Diese Frage stellen sich nun die Ermittler, die nun hoffen, aus dem Datenschreiber noch mehr Aufschluss gewinnen zu können. Die Anwendung der Notbremse habe laut Robert Sumwalt von der US-Verkehrssicherheitsbehörde NTSB den Zug nur um ein paar Stundenkilometer verlangsamt. Ein System zur Geschwindigkeitskontrolle der Amtrak-Züge sei auf dem Streckenabschnitt des Unglücks noch nicht in Betrieb, sagte Sumwalt.

Die als Positive Train Control (PTC) bekannte Technik hätte das Unglück verhindern können, sagte Sumwalt. Das GPS-basierte System, das auch Kollisionen verhindern soll, muss laut einem Gesetz von 2008 bis Ende 2015 für Personenverkehrstrecken im Fern- und Regionalverkehr der USA installiert werden. „Das war seit vielen Jahren auf unserer Wunschliste“, sagte Sumwalt.

Zwischen Republikanern und Demokraten tobt seit Mitte der 1990er-Jahre ein Streit um das Amtrak-Budget. Während die Menschen im Süden und Westen der USA, wo Republikaner vorherrschen, weniger auf die Bahn angewiesen sind, wird das Netz im von Demokraten kontrollierten Nordosten stärker genutzt. Deren Wähler verlassen sich bei Reisen zwischen Boston, New York, Philadelphia und Washington häufig auf Amtrak.

Die Demokraten wollen das Budget der halbstaatlichen Bahngesellschaft deshalb erhöhen. Der demokratische Präsident, Barack Obama, hatte vom Kongress ein höheres Budget von knapp einer Milliarde Dollar gefordert. Nur Stunden nach dem Unfall stimmten die Republikaner im Budgetausschuss des Abgeordnetenhauses dagegen für eine Kürzung des Amtrak-Budgets um rund 270 Millionen Dollar (238 Mio Euro).

Lokführer noch nicht befragt

Rund eine Woche sollen die Ermittler der NTSB vor Ort untersuchen, warum der Zug zu schnell in die Kurve raste. Der Lokführer müsse ein traumatisches Erlebnis verarbeiten, weshalb er noch nicht befragt worden sei, sagte NTSB-Ermittler Sumwalt. Auch die Gleise, Steuerung, Bremsmechanik und Daten des Ereignisschreibers sollen geprüft werden.

Der Ostküstenkorridor zwischen Washington und Boston ist die meistbefahrene Bahnstrecke Nordamerikas. (APA/AFP/red)

AUF EINEN BLICK

Zugsunglück in Philadelphia. Sieben Tote und mehr als 200 Verletzte forderte ein Zugsunglück an der US-Ostküste. Ein Amtrak-Zug war viel zu schnell in eine Kurve gerast; die Betätigung der Notbremse konnte das Entgleisen nicht mehr verhindern. Ermittler erklärten in einer ersten Stellungnahme, dass eine Geschwindigkeitskontrolle das Unglück hätte verhindern können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Weltjournal

USA: Hohe Geschwindigkeit offenbar Grund für Zugsunglück

Der Zug sei doppelt so schnell wie erlaubt in eine Kurve gerast, bevor er entgleiste. Bei dem Unglück kamen sieben Menschen ums Leben.
Philadelphia: Das Wrack eines Waggons.
Weltjournal

USA: Sieben Tote bei schwerem Zugsunglück in Philadelphia

Mehrere Waggons eines Amtrak-Zuges entgleisten auf dem Weg zwischen Washington und New York. Sieben Menschen kamen ums Leben, 200 wurden verletzt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.