Europas Rocker erobern den Balkan

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Die USA wurden den Outlaw-Motorradklubs zu klein. Nirgendwo sonst sind sie stärker vertreten als in der Alten Welt. Seit die Behörden in Mittel- und Nordeuropa genauer hinschauen, weichen sie auf den Balkan aus.

Wer Motorradklub sagt, denkt meist an das weite Land der USA. Tatsächlich hat sich das Epizentrum der sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs, kurz OMCGs, im Lauf der vergangenen zehn Jahre über den Atlantik in die Alte Welt verschoben. Der Showdown von Waco, Texas war spektakulär. Der Wachstumsmarkt für Rocker ist jedoch Europa.

Experten für organisierte Kriminalität (OK) verfolgen die Entwicklung seit Jahren mit Sorge. Unter OMCGs verstehen die Ermittler nicht jene Freizeit- und Hobbyklubs, in denen Ärzte, Angestellte und Arbeiter gemeinsam als wilde, aber im Prinzip stets zivilisierte Kerle auftreten. Gemeint sind vielmehr Mitglieder jener Gruppierungen, die sich selbst „Onepercenter“ nennen. Das ist – frei nach einer alten Rockergeschichte – jener einprozentige Anteil der Motorradfahrer, der ausdrücklich nicht gesetzestreu ist. Die meisten von ihnen tragen den „1%er“-Aufnäher sogar stolz auf der Kutte, also jener Leder- oder Jeansweste, auf der auch die Klubzugehörigkeit ersichtlich ist.

Die größten Organisationen sind die der Hells Angels, Bandidos und Outlaws. Auffällig ist, dass die Zahl der autonom organisierten Ortsklubs (Hells Angels sprechen von Charters, andere von Chapters) seit 2005 stark zugenommen hat. Grund: das Wachstum in Europa. Praktisch jeder zweite Ortsklub (Hells Angels: 270 von 433, Bandidos: 153 von 321, Outlaws: 138 von 259) hat hier heute seinen Standort.

Die Geschäfte, denen sie nachgehen, sind Waffenhandel, Drogenschmuggel und Prostitution, auch in Verbindung mit Menschenhandel.

Alle drei Zweige werden stark von der sogenannten Balkan-Route beeinflusst, über die die Waren und Frauen nach Mittel- und Nordeuropa kommen. Und genau dort entstanden und entstehen gerade immer mehr Chapter der großen Klubs.

„Unter uns normalen Bikern ist es ein offenes Geheimnis, dass die Outlaw-Klubs mit Drogen und Waffen zu tun haben“, erzählt ein Gründungsmitglied eines österreichischen Hobbyklubs, der aus Sicherheitsgründen anonym bleibt. Das hat damit zu tun, dass sich Biker herkömmlicher und von Halbweltklubs auf den traditionellen Festen recht gut kennenlernen und viel übereinander erfahren. „Über das, was man da mitbekommt, sollte man jedoch besser nicht reden. Bei uns wurden schon Leute bedroht, weil sie unter Alkoholeinfluss mit ihrem Wissen über die Hells Angels geprahlt haben.“

Aus den Organisationen selbst dringt nur sehr wenig bis zu den Behörden durch. Grund dafür ist der strenge Ehrenkodex der Szene, der durchaus mit der Omertà (Gesetz des Schweigens) der Mafia vergleichbar ist. Um Mitglied (Member) einer OMCG zu werden, durchläuft der Anwärter (Prospect) eine jahrelange Prüfung, wird während dieser Zeit regelmäßig zu – meist illegaler – Schmutzarbeit herangezogen. Das macht die Betroffenen erpressbar und gleichzeitig zu einem Teil des Systems.

Handgranaten und Panzerfäuste. Der Kampf um das Geschäft wird äußerst gewalttätig geführt. Davon betroffen sind Deutschland, Dänemark, die Niederlande sowie ganz Skandinavien. „Das Gute daran ist“, sagt Søren Pedersen von Europol, „dass die Ziele dieser Ausbrüche fast immer andere Gangs sind. Das Schlechte ist, dass es die Rocker nicht stört, wenn die Gewalt öffentlich ausbricht und Unbeteiligte dabei zu Schaden kommen.“ Zum Einsatz kommen dabei Messer und Faustfeuerwaffen, manchmal sogar Sturmgewehre, Handgranaten und Panzerfäuste.

Österreich gilt in der Szene als vergleichsweise sicherer Boden. Zwar kommt es in unregelmäßigen Abständen zu Auseinandersetzungen in Form von Schlägereien – so offen wie etwa in Deutschland bekämpfen sich Hells Angels, Bandidos oder Satudarah hierzulande jedoch nicht.

Dennoch warnt das Bundeskriminalamt in strategischen Analysen ausdrücklich davor, diese Art organisierter Kriminalität zu unterschätzen. Grund dafür sei der erhöhte Ermittlungsdruck der deutschen Behörden, die Rocker aus dem Nachbarland vermehrt nach Österreich drängen könnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

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