»Wir leben ja nicht mehr in der Steinzeit«

Der Außenminister der De-facto-Republik Berg-Karabach, Karen Mirzoyan, über den Konflikt mit Aserbaidschan.

Berg-Karabachs vor Jahren fertiggestellter Airport ist wegen Drohungen aus Aserbaidschan noch immer nicht geöffnet. Wann wird das erste Flugzeug abheben?

Karen Mirzoyan: Ich hoffe, so schnell wie möglich. Es geht um einen humanitären Schritt: Die Bürger dieses Landes haben das Recht, sich frei bewegen zu können. Doch die Aserbaidschaner haben nicht angemessen reagiert. Sie haben Gesetze geändert, um ihrem Militär das Recht zu geben, zivile Flugzeuge abzuschießen. Können Sie sich das vorstellen? Wenn sie eines unserer Flugzeuge abschießen, würden wir das Feuer sofort erwidern. Das könnte zu einer gefährlichen Eskalation führen.

Wann wird nun der erste Flieger abheben?

Vielleicht morgen, vielleicht in drei Jahren. Ich mache keine Prognose. Aber früher oder später wird der Airport in Betrieb gehen. Wir leben ja in einer zivilisierten Welt und nicht in der Steinzeit.

Ich frage auch, weil Ihr Land mit nur einer Straßenverbindung in die Außenwelt wohl wirtschaftlich nicht überlebensfähig ist ...

Nach all den wirtschaftlichen Regeln müssten wir schon längst verschwunden sein. Aber die Leute hier sind sehr harte Arbeiter. Im letzten Jahr hatten wir Wachstumsraten von neun, zehn Prozent. Ich nenne es das Karabach-Wunder. Denn als wir vor 20 Jahren mit dem Wirtschaftsaufbau begonnen haben, hatten wir weniger als null. Das hier war zur Sowjetzeit ein landwirtschaftliches Land, die Bauernhöfe wurden dann aber im Krieg zerstört. Und heute? Haben wir zusätzlich noch neue Wirtschaftszweige. Ich habe gerade an der Eröffnung eines Start-up-Centers für Hochtechnologie teilgenommen.

In 24 Jahren hat kein Staat der Welt die Unabhängigkeit anerkannt. Warum nicht?

Fragen Sie das Ihre Regierung. Aber es stimmt, dass der Prozess auf nationaler Ebene ins Stocken geraten ist. Uns haben aber mehrere US-Bundesstaaten anerkannt, auch der größte australische Staat und zuletzt das Baskenland. Die internationale Gemeinschaft muss verstehen, dass künstliche Hindernisse für Berg-Karabach nicht helfen. Für uns ist die Anerkennung ja kein Selbstzweck, sondern eine Möglichkeit, unsere Erfolge im Staatsaufbau abzusichern. Ich bin aber Historiker und weiß, dass es viele Länder gibt, die lange ohne internationale Anerkennung überlebt haben und sehr einflussreich wurden. Denken Sie etwa an die Vereinigten Staaten.

Wenn dieser Konflikt enden soll, werden beide Seiten Zugeständnisse machen müssen. Wie könnte Ihr Angebot aussehen?

In dieser Atmosphäre der ständigen Kriegsdrohungen durch Aserbaidschan ist es unmöglich, über einen Kompromiss zu reden. Zunächst muss Aserbaidschan diese Politik beenden.

Steckbrief

Karen Mirzoyan ist seit September 2012 Außenminister der De-facto-Republik Berg-Karabach.

Der 49-Jährige stammt aus Armeniens Hauptstadt Jerewan, wo er Orientalistik studiert und auch im Außenministerium gearbeitet hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.