Schweden: Maturanten müssen trocken feiern

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Viele Gemeinden haben ein Alkoholverbot für Maturafeiern erlassen. Grund: Schwere Unfälle bei den traditionellen feuchtfröhlichen Umzügen durch die Innenstädte.

Stockholm. Es ist eine alte Tradition: Jeden Juni fahren frischgebackene Maturanten mit weißen Schirmmützen auf offenen Lkw mit viel Geschrei durch Schwedens Stadtzentren. An den Wagen hängen die Banner der Schule und des Jahrgangs. Da mehr als 90 Prozent der Schweden maturieren, geht es entsprechend zu. Dabei wird tüchtig Bier gezecht, und viele haben Schnaps in Plastikflaschen dabei.

Die Maturanten drehen ihre Runden stundenlang in der Sonne. Meist haben sie schon zuvor gebechert, denn der Abschlusstag beginnt mit Champagner und Erdbeeren. Danach folgen die Zeugnisverteilung und das letzte Herausrennen aus dem Schulhaus, das von Eltern fotografiert wird. Doch heuer wird die Freude erstmals getrübt: Viele Gemeinden erließen ein Alkoholverbot für das Fest, denn in den letzten beiden Jahren haben sich Unfälle so gehäuft, dass sogar im trinkfesten Schweden Forderungen nach Beschränkungen laut wurden. Fast jeden Tag berichtete die Boulevardpresse im Juni 2014 von Unfällen. Ein Maturant etwa, der sich auf einer Wagenfläche in Stockholm betrunken hatte, starb. Der Laster seiner Schule hatte an einem Gewässer gehalten, der Bursch ertrank beim Baden. Seine Kollegen bemerkten sein Verschwinden nicht, da auch sie völlig „fett“ waren.

Folgenschwere „Abstürze“

Am Verkehrsknotenpunkt Slussen in Südstockholm war ein Wagen mit 50 Maturanten auf der Ladefläche umgekippt. Anderswo fiel ein Trunkenbold von der Ladefläche, knallte mit dem Kopf auf die Straße, wurde überrollt und schwer verletzt. In Göteborg geriet eine Maturantin zwischen zwei Laster und wurde gequetscht. Auch sie überlebte. In Trollhättan schlug ein Feiernder mit dem Kopf gegen eine Brücke, als der Lkw unter ihr durchfuhr. In der Industriestadt Västeras wurde eine Parade von der Polizei aufgelöst, weil Jugendliche von Wagen fielen. 2014 zählte die Polizei über ein Dutzend solcher Unfälle.

„Das ist eine ernste Situation. Der Tag soll einer der glücklichsten Tage im Leben der Jugendlichen sein und nicht in Tragödien enden“, so Verkehrspolizeichef Bengt Karlsson. Sogar ein Verbot der Paraden war gefordert worden. Heuer sollen strengere Regeln Unglück verhindern: Neben dem Alkoholverbot fordert die Polizeiführung, dass auf jedem Wagen zwei nüchterne Aufsichtspersonen mitfahren.

Doch: „Es ist ungerecht, das Trinken für alle zu verbieten, nur weil ein paar Wenige zu weit gegangen sind. Wir haben uns so auf den Tag gefreut“, meint die 18-jährige Maturantin Josefin. Maria Leonardsson, eine Gymnasiumsdirektorin, begrüßt hingegen das Verbot. „In den letzten Jahren hat es viele traurige Vorfälle gegeben, Maturanten haben sich selbst und Passanten mit Getränken vollgespritzt. Viele Bürger beschwerten sich bei uns. Wir wollen das nicht mehr.“ (anw)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2015)

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