Farbe und Identität: Schwarze, weiße, rosa Frauen

Rachel Dolezal
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Eine „Weiße“ erklärt sich zur „Schwarzen“, darf sie das? Warum „Transgender“ akklamiert und „Transracial“ attackiert wird. Und was Rosa damit zu tun hat.

Kann man sich seine Hautfarbe aussuchen? Eine Aktivistin, die als Weiße geboren wurde, sich aber als Afroamerikanerin ausgab, hat in den USA eine Kontroverse dazu ausgelöst. Die 37-jährige Rachel Dolezal ist die Tochter weißer Eltern, Kinderfotos zeigen sie mit blonden Haaren und Sommersprossen auf blasser Haut. Schon als Kind habe sie sich aber als Schwarze gefühlt, sagt sie, habe sich mit dem braunen statt dem pfirsichfarbenen Stift gemalt. Sie ging auf eine schwarze Elite-Uni, unterrichtete Afrika-Studien. Als Vorsitzende der Bürgerrechtsorganisation NAACP vertrat sie in ihrer Stadt Spokane (Washington) die schwarze Gemeinde, bei Bewerbungen soll sie sich als Schwarze ausgegeben haben. Einen schwarzen Bekannten bezeichnete sie als „Dad“, ihren schwarzen Adoptivbruder als ihren Sohn. Äußerlich präsentiert sie sich gebräunt und mit dunklen Krauslocken.

Nur ihre Herkunft passte nicht zu diesem Bild. Dolezals Eltern zeigten sich traurig und verletzt, weil die Tochter „ihre eigene Identität leugnet“. Die Internetgemeinde spottet nun über Rachel Dolezal, diese hat den Vorsitz der Organisation NAACP zurückgelegt und in Interviews versucht, ihre Lage zu erklären: „Ich bin definitiv nicht weiß. Weiß-sein beschreibt einfach nicht, wer ich bin.“

Doch ist es so einfach? Kann man sich schwarz fühlen und kurzerhand schwarz werden? Die Reaktionen in der afroamerikanischen Gemeinde sind tief gespalten. „Wenn sie schwarz sein will, kann sie es sein“, meinte Oscar-Preisträgerin Whoopi Goldberg. Andere nahmen es weniger gelassen: Dolezal sei nicht als Schwarze aufgewachsen, habe nicht erlebt, was es bedeute, als Schwarze von der Polizei aufgehalten oder in der Schule benachteiligt zu werden. Sie würde sich nur die coolen Aspekte der schwarzen Kultur herauspicken. Man könne die schwarze Identität nicht anziehen „wie ein paar Schuhe“. Dazu kommt noch, dass Dolezal jederzeit wieder andersrum „Farbe bekennen“ könnte; zumal sie früher gegen die traditionell afroamerikanische Howard University klagte, weil sie als „Weiße“ diskriminiert worden sei.

Konservative Stimmen nutzen die Empörungswelle für ihre Zwecke. Manche sehen Dolezal schlicht als arme Irre in einer Identitätskrise. Und genüsslich wird Dolezals linken Kritikern moralische Inkonsequenz vorgeworfen: Warum werde Olympiasieger Bruce Jenner beklatscht, wenn er als Caitlyn weiterleben wolle, eine Weiße dagegen, die als Schwarze leben will, attackiert?

„Transracial“ und „Transgender“

Auf den ersten Blick wirkt es tatsächlich inkonsequent, fast bizarr: Obwohl die meisten Menschen heute der Meinung sein dürften, dass das biologische Geschlecht doch mehr über einen Menschen aussagt als die Hautfarbe, wirkt das Statement einer weißen Frau, sich künftig als Schwarze zu definieren, viel skandalöser als der Wechsel des Geschlechts. Warum eigentlich? Offenbar, weil der Geschlechterdiskurs mittlerweile doch etwas entspannter und spielerischer geführt wird als der Konflikt um die Hautfarbe. Bei Transgender-Debatten wird über den Wechsel an sich gestritten, nicht darum, ob man vom „unterdrückenden“ zum „unterdrückten“ Geschlecht wechseln darf oder umgekehrt. Bei Dolezals „Transracial“-Statement ist das anders. Dabei bekennt sie sich wie Jenner zu einer Identität, die äußerlich ursprünglich nicht die ihre ist. Aber so, wie früher eine weiße Meute über die „Verräterin“ hergefallen wäre, fallen heute viele Schwarze mit dem Argument über sie her, sie gehöre nicht zu den „echten“ Schwarzen und deren Vorfahren, habe nicht deren Leidenserfahrung. Damit verfestigen sie freilich ebenjene rigiden Kategorien, die sie angeblich aufbrechen wollen. Und Rachel Dolezal mit ihrem „Ich bin schwarz“-Outing tut es, ungewollt, genauso.

Ein positives Gegenbeispiel dazu ist die Künstlerin Bianca Beetson, die in ihren Bildern ein grelles Pink als Symbol für ihre indigene Herkunft verwendet. Mädchen werden auf eine „rosa“ Identität festgelegt, wie Menschen auf ihre „schwarze“ oder dunkle, hat sie erfahren – aber Rosa kann unterschiedlich wirken, zeigt sie: Ein starkes Pink (das vor 100 Jahren als Bubenfarbe gesehen wurde) kann aggressiv wirken, völlig anders als gewohnt. So lässt sich die Wahrnehmung von Farben ändern. Und, sehr viel mühsamer, von Identitäten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2015)

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