Peking setzt auf noch mehr Überwachung

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CHINA(c) EPA (ADRIAN BRADSHAW)
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Die Führung verabschiedete ein Sicherheitsgesetz, das den Behörden noch mehr Eingriffsrechte in die Privatsphäre ermöglicht. So gut wie jede Handlung kann als „relevant für die nationale Sicherheit“ betrachtet werden.

Peking. Internetnutzer in China hatten es schon bisher nicht einfach: langsame Verbindungen, die meisten Websites aus dem Ausland sind nur sehr schwierig aufzurufen. Facebook, Twitter, YouTube und die meisten Google-Dienste sind komplett blockiert. Und kritische Einträge in sozialen Netzwerken werden meist gelöscht. Nun soll der Zugang noch schwieriger werden.

Der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, Chinas Scheinparlament, hat am Mittwoch ein Sicherheitsgesetz verabschiedet, das den Behörden eine noch größere Überwachung des Netzes ermöglicht. Chinesische Netzwerke seien zunehmend Cyber-Angriffen und dem Diebstahl von geheimen Daten ausgesetzt, die die nationale Sicherheit gefährden, heißt es als Begründung. Daher müssten wichtige Informationstechnologie, Infrastruktur, technische Systeme und Daten „sicher und kontrollierbar“ sein. Das neue Gesetz ermächtigt die Regierung, „alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Souveränität zu schützen“.

„Freischein“

Das breite Spektrum, das die chinesische Führung künftig als Bedrohung betrachtet, macht dieses neue Sicherheitsgesetz so heikel. Nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua bezieht sich die Reform nicht nur auf eine Ausweitung der Kompetenzen der Sicherheitsorgane im Kampf gegen Staats- und Industriespionage, sondern auch auf die Bereiche Finanzen, Wissenschaft und Bildung. Peking sieht in Religionen, Umweltbewegungen und sozialen Spannungen explizit eine Bedrohung.

Eben weil das Gesetz so viele Bereiche umfasst, kann so ziemlich jede Handlung als „relevant für die nationale Sicherheit“ werden. So umfasst es auch Aktivitäten im Weltraum, in internationalen Gewässern und selbst auf dem Nordpol. Dies soll die Spionage sowohl im In- als auch im Ausland offiziell rechtfertigen. Das Gesetz sei ein „Freischein für die totale Überwachung“, kritisiert die in Hongkong lebende Menschenrechtsaktivistin Ya Xiao.

Kritik aus der Wirtschaft

Kritik kommt aber nicht nur von Menschenrechtlern, die in diesem Gesetz einen weiteren Einschnitt in die Meinungsfreiheit sehen und noch mehr Willkür bei der Verfolgung von Regierungskritikern befürchten. Auch ausländische Unternehmen sind besorgt. Bereits im Frühjahr forderten die chinesischen Behörden ausländische Banken und andere Finanzinstitute auf, zur besseren Überwachung die Quellcodes ihrer Firmensoftware herauszugeben. Die internationale Bankenwelt reagierte empört. Lothar Herrmann, Präsident der deutschen Außenhandelskammer in Peking, bezeichnet schon die bisherigen Internetprobleme als „potenzielles Investitionshindernis“. „Ich kann mir vorstellen, dass sich Unternehmen das sehr genau ansehen, bevor sie hierherkommen.“

Nicht konkretisiert werden darin allerdings die Kompetenzen der inzwischen mächtigen Nationalen Sicherheitskommission, die Chinas Staatspräsident Xi Jinping direkt nach seiner Amtsübernahme vor zwei Jahren gegründet hat und der er auch vorsitzt. Sie gilt inzwischen als sehr mächtig und einflussreich. Ihr rechtlicher Status bleibt aber auch weiter ungeklärt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2015)

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