Mexiko: Mit Steuern gegen das Übergewicht

(c) Bloomberg (Akio Kon)
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Die Regierung hat der Fettleibigkeit den Kampf ansagt: Seit Anfang Juli wird Fast Food besteuert. Fast die Hälfte der Mexikaner ist übergewichtig.

Buenos Aires/Mexico City. Tacos, Quesadillas, Burritos stehen auf der schwarzen Liste des Finanzministeriums, ebenso wie Hamburger, Hot Dogs, Sandwiches und Pizza. Nichts in dieser Aufzählung kann ernährungstechnisch als vernünftig bezeichnet werden, aber alles, was dort genannt ist, war bisher von Steuern befreit. Doch das gilt seit dem 1. Juli nicht mehr, denn seit Monatsanfang erhebt die Regierung 16 Prozent Mehrwertsteuer auf Junk Food. Diese Maßnahme, die formell mit fiskalischen Gründen gerechtfertigt wird, ist in Wirklichkeit eine Notbremsung in dramatischen Zeiten. Denn Mexiko ist viel zu fett.

46,8 Prozent aller Mexikaner sind übergewichtig. 22,1 Millionen Menschen sind sogar schwer übergewichtig, mit erheblichen Konsequenzen für deren Gesundheit. „Diese Menschen werden im Durchschnitt 18,5 Lebensjahre lang krank sein“, besagt ein Dokument des Gesundheitsministeriums. 29 Prozent der Schulkinder und 35 Prozent der Jugendlichen wiegen zu viel.

Bis zu zehn Millionen Zuckerkranke

Die organischen Folgen sind immens. Die nationale Diabetes-Vereinigung schätzt, dass in dem 100-Millionen-Einwohner-Land zwischen 6,5 und zehn Millionen Zuckerkranke leben. Direkt oder indirekt ist Diabetes die dritthäufigste Todesursache nach Herz-Kreislauf-Leiden und Krebs, die jeweils auch zumindest teilweise Folge von schlechter Ernährung sind. 80 Milliarden Mexikanische Pesos, umgerechnet etwa 4,6 Milliarden Euro, gab die Regierung 2013 für die Behandlung von Übergewichtskrankheiten aus. Bis 2017 werden diese Kosten auf fast das Doppelte ansteigen, schätzt das Gesundheitsministerium.

Die Misere ist hausgemacht und hat eine lange Vorgeschichte: Seitdem sie 1927 die erste Abfüllanlage südlich der Grenze eröffnete, hat die Coca-Cola Company das Land aufgerollt. Im erbitterten Zwist mit dem Erzrivalen Pepsi bestückten die „Roten“ das Land flächendeckend mit Kühlschränken, die von der Firma auch selbst produziert werden. Dagegen köderte Pepsi Ladenbesitzer mit dem Angebot, den Stromverbrauch des ganzen Geschäfts zu bezahlen, wenn der Händler kein Coke anbot. Die Folgen des Cola-Krieges: Bis heute ist braune Brause in vielen Landesteilen billiger als Mineralwasser – und überall verfügbar.

Jahrzehntelang wuchsen die Bäuche der Mexikaner ebenso stetig wie die Umsätze von Coca-Cola und Pepsico, doch trotz der Warnungen von Ärzten und Verbraucherschutz unternahm die Regierung nichts. An deren Spitze stand von 2000 bis 2006 übrigens Vicente Fox, der vor seinem Einstieg in die Politik das Mexiko- und Lateinamerikageschäft von Coca-Cola geleitet hatte. Erst 2010 verbot die Regierung den Verkauf von Softdrinks auf den Schulhöfen und seit dem Vorjahr werden diese mit zehn Prozent besteuert. Aber das traf die Firma aus dem Norden nicht unvorbereitet. Coca-Cola ist längst auch Marktführer in Fruchtsäften und Eistees, darum ist Mexiko für die US-Company Markt Nummer eins. In dem Land mit der schlechten Trinkwasserversorgung werden 40 Prozent mehr Süßgetränke konsumiert als in den USA. Die Folgen bezifferte kürzlich die nordamerikanischen Tufts University in einer Studie: Softdrinks bringen im Jahr mehr Mexikaner um (24.000) als der Drogenkrieg (15.649 nach offiziellen Zahlen für 2014).

Vormarsch des Fabrikessens

Doch die Kalorienbomben stecken nicht nur in Flaschen. Mais- und Kartoffelchips, Tacos und Ensalmadas sind schon ewig Teil der ungesunden mexikanischen Kost. Dennoch hat sich ihre Verfügbarkeit in den vergangenen zwei Jahrzehnten massiv verändert. Immer war Mexiko ein Land der kleinen Läden und Kioske, insgesamt gibt es 400.000 Geschäfte mit einer Ladefläche von unter zehn Quadratmetern. Doch die Kleinen, die neben Snacks auch Obst und Gemüse feilbieten, werden weniger, während Rund-um-die-Uhr-Märkte nordamerikanischer Ketten wie 7Eleven ständig zulegen. Marktführer Oxxa (im Besitz der Coca-Cola-Tochter Femsa) eröffnet drei neue Shops pro Tag und betreibt inzwischen 14.000 Verkaufsstätten. Diese vertreiben Getränke und lang haltbares Convenience Food, Chips, Kekse und Kastenweißbrot, einen Mix aus Kohlehydraten und gesättigten Fettsäuren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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