Nichts wie weg von der Insel

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Die kroatische Inselwelt ist einer der populärsten Touristenmagneten des Adria-Staats. Doch auf den meisten Inseln herrscht anhaltender Bevölkerungsschwund.

Komiža. Kreischend kreist eine Möwe über dem verschlafenen Hafen von Komiža. Eine leichte Brise blättert in den Palmwedeln des Fischerstädtchens auf der kroatischen Insel Vis. Sie habe jahrelang in den USA gelebt und gearbeitet, bevor sie wieder in ihre Inselheimat zurückgekehrt sei, erzählt eine weißhaarige Rentnerin. Ihre auf dem Festland lebende Tochter wolle zwar, dass sie zu ihr in die Stadt ziehe: „Aber ich bleibe hier. In der Stadt fehlt mir einfach der Duft der Orangen.“

Auch die Besucher von Kroatiens am weitesten vom Festland entfernter bewohnter Insel wollen vom dem anheimelnden Hort der Entschleunigung eigentlich nie wieder weg. Nur in den Sommermonaten macht sich hingegen Boris Simić aus Split, zweieinhalb Fährstunden entfernt, zu seine Heimatinsel auf. Von den rund 1500 Einwohnern in Komiža lebten nur 800 ständig auf der Insel, schätzt der Wirt der Konoba Koluna. Gut die Hälfte der Verbliebenen sei zudem mehr als 70 Jahre alt: „Im Winter ist hier absolut nichts los.“ Zwar verfüge die Insel noch über alle Schulen: „Aber zum Studieren gehen die Jungen nach Split oder Zagreb – und kommen nur selten wieder zurück.“

Nur noch fünf Schulkinder

Hoch über dem Meer winden sich die Serpentinen an verfallenen Gehöften vorbei. 1900 zählte die Insel fast 10.000 Bewohner. Inzwischen ist deren offizielle Zahl auf ein Drittel geschrumpft. Ein Einzelfall ist die Entvölkerung von Vis keineswegs. Obwohl Kroatiens Inselarchipel als wichtiger Touristenmagnet des Adria-Staats gilt, herrschen auf den meisten Inseln seit Jahrzehnten von anhaltender Bevölkerungsschwund. 46 der 1244 kroatischen Inseln gelten noch als bewohnt. Stellten die Inselbewohner um 1900 noch über fünf Prozent der kroatischen Bevölkerung, ist deren Anteil auf 2,8 Prozent gesunken. Zwar vermeldete die letzte Volkszählung von 2011 erstmals sich leicht stabilisierende Bevölkerungszahlen. Das scheinbar positive Bild wird laut dem Demografen Ivan Lajić allerdings durch trügerische Statistiken und die „fiktive“ Bevölkerung in den Wochenendhäuschen verzeichnet. Eine wachsende Bevölkerung wiesen nur durch Brücken zum Festland verbundene Pseudo-Inseln wie Krk, Pag oder Vir auf: „Tatsächlich kann man von einer Revitalisierung der Inseln kaum sprechen.“

Vor allem für kleinere abgelegene Inseln wie Unije, Olib oder Molat geht der Grad der Entvölkerung bereits an die Existenz. Auf Susak etwa ist die Bevölkerung von einst 2000 auf mittlerweile 150 geschrumpft. Der Insel sind nur noch fünf schulpflichtige Kinder verblieben, die mittels E-Learning-Programms unterrichtet werden. Meist sind es junge Familien, die aufs Festland übersiedeln, um ihren Kindern die mühsame Fährenfahrt zur Schule zu ersparen.

So negativ wie manche Mitbewohner vermag Komižas Bürgermeisterin, Tonka Ivčević, die Entwicklung des Orts trotz aller Probleme nicht zu sehen. Zwar habe die letzte Volkszählung erneut einen Bevölkerungsschwund bestätigt, doch es lebten sicher noch mehr als 1000 Menschen in der Stadt, versichert die 41-Jährige. Als frühere Armeebasis sei Vis bis 1989 für ausländische Besucher jahrzehntelang eine verbotene Insel und relativ isoliert gewesen, so Ivčević: „Lang hatten wir nicht die Möglichkeit, unsere Insel touristisch zu entwickeln. Aber das ist nun unser Vorteil. Andere Inseln wurden eher planlos zugebaut. Wir versuchen nun, einen nachhaltigen Tourismus entwickeln.“

Die Zahl der privaten Ferienwohnungen nimmt nicht nur auf Vis seit Jahren zu. Doch die Einnahmen aus dem Tourismus können den Verlust der Arbeitsplätze in der fischverarbeitenden Industrie und den Exodus seiner Bewohner nicht kompensieren. Von dem Saisongeschäft des Tourismus allein könne man in Komiža kaum leben, räumt Ivčević ein: „Hier beschäftigen sich die Leute mit allem. Fischerei, ein wenig Olivenanbau – und dann unterhält man vielleicht auch noch zwei, drei Ferienwohnungen.“

Teure Waren wegen Fährkosten

Das Problem der Inseln sei vor allem deren Anbindung zum Festland, klagt die Bürgermeisterin. Zwar hätten Inselbewohner bei der Überfahrt das Recht auf einen 50-prozentigen Preisnachlass. Doch die Fähren seien für den Pkw- und Lkw-Verkehr noch immer teuer: „Und das ist der Grund, warum hier jede Ware und jede Investition 20 Prozent mehr kostet als auf dem Festland.“ In den Wintermonaten, wenn die Fähren halb leer seien, sollten die Kosten für Lkw komplett entfallen, fordert sie: „Das würde die lokale Wirtschaft enorm beleben.“

Doch irgendwann werde es zu einer Umkehr kommen, ist die Bürgermeisterin überzeugt: „Wir leben in einem globalen Dorf. Es ist nicht mehr nötig, in der Großstadt zu wohnen, um seiner Arbeit nachzugehen.“ In Komiža habe man noch Zeit für die Familie. „Und es gibt genug Platz für jeden, der gute Ideen hat – und in einer ruhigen Umgebung leben will.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

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