USA: Bill Cosby und die Pille im Amaretto

Comedian Bill Cosby performs at The Temple Buell Theatre in Denver in this file photo
Comedian Bill Cosby performs at The Temple Buell Theatre in Denver in this file photo(c) REUTERS (BARRY GUTIERREZ)
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Der beliebte Komiker stand schon 2005 vor Gericht, weil er junge Frauen mit gefährlichen Drogen willenlos gemacht haben soll. Rund zwei Dutzend Personen werfen ihm Vergewaltigungen vor.

Washington. Junge Schauspielerinnen, angehende Fotomodelle oder einfach nur leicht beeinflussbare Mädchen, die von der Aufmerksamkeit des berühmten, reichen Hollywoodstars geschmeichelt waren: Die Liste der Frauen, welche dem Komödianten Bill Cosby sexuelle Gewalt vorwerfen, umfasst mittlerweile mehr als zwei Dutzend Namen. Oft liefen die Begegnungen, die Cosby vorgeworfen werden, so ab wie jene, welche eine Frau namens Chelan Ende vorigen Jahres zu Protokoll gab: Im Jahr 1986, mit 17, habe sie im Hilton-Hotel in Las Vegas gearbeitet, als sie Cosby kennenlernte. Er lud sie auf seine Hotelsuite ein, um sie mit einem angeblichen Modelmanager bekanntzumachen. Sie sei verschnupft gewesen, und Cosby habe ihr eine Pille gegeben, die laut seinen Aussagen ein harmloses Antihistamin gewesen sei. Dazu servierte er drei Gläser Amaretto, und dann musste sie sich hinlegen.

Cosby sei ihr ins Bett gefolgt, habe begonnen, ihre linke Brustwarze zu zwicken und sich stöhnend an ihrem Bein zu reiben. Dann habe sie das Bewusstsein verloren und sei 13 bis 16 Stunden später aufgewacht, als Cosby in die Hände geklatscht und gesagt habe: „Daddy sagt: Wach auf.“ Er habe ihr 1500 Dollar gegeben, „um sich etwas Schönes zu kaufen.“

Seit Jahren prallen Anschuldigungen wie diese an Cosby ab. Der Hartnäckigkeit von Journalisten der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) ist es zu verdanken, dass seine Schweigemauer nun Risse bekommt. Im Jahr 2005 wurde Cosby gerichtlich vorgeladen, um zu den Vorwürfen einer Frau namens Andrea Constand Stellung zu nehmen. Cosbys Anwälte hatten bisher die Veröffentlichung des Protokolls dieser Einvernahme verhindert. Die AP erhielt am Montag von einem Richter mit ihrem Argument Recht, Cosby sei eine Person öffentlichen Interesses, und die Vorwürfe seien gravierend.

Constand hatte angezeigt, dass Cosby ihr im Jahr zuvor drei blaue Pillen verabreicht habe, um sie danach sexuell zu missbrauchen. Cosbys Anwalt schaffte es damals zwar, die meisten Fragen von Constands Anwältin zu unterdrücken, doch nach langem Zögern gab Cosby zu, in den 1970er-Jahren sieben ärztliche Rezepte für das halluzinogene Schlafmittel Methaqualon bekommen zu haben.

Cosby und Falcos Mozambin

Diese Droge war in der damaligen College- und Discoszene als „Quaalude“ hoch beliebt (Falco besang es in seinem Lied „Ganz Wien“ unter seinem damaligen österreichischen Markennamen Mozambin). Methaqualon macht, vor allem im Zusammenspiel mit Alkohol, müde, willenlos und sexuell gefügig. 1984 wurde es in den USA verboten, denn die Droge sorgte für zahlreiche Todesfälle; allein im Jahr 1980 starben US-weit 117 Menschen an Überdosen. Heutzutage ist sie mehr oder weniger weltweit verboten, aber bis vor einigen Jahren konnte man auf dem Schwarzmarkt noch Pillen aus gehorteten Beständen zu exorbitanten Preisen kaufen.

Ein Moralpapst zerstört sich

Cosby jedenfalls gab bei seiner Einvernahme vor zehn Jahren zu, einer Frau nach einem Auftritt in Las Vegas „Quaaludes“ gegeben und danach Sex mit ihr gehabt zu haben. Er gestand auch, die Pillen organisiert zu haben, um mit ihnen junge Frauen gefügig zu machen.

Strafrechtlich drohen dem heute 77-Jährigen, der in der Rolle des schrullig-netten Familienvaters Cliff Huxtable in den 1980er-Jahren eine der weltweit beliebtesten Fernsehserien anführte, wegen Verjährung keine Folgen. Zivilrechtlich hingegen sehr wohl, denn nach kalifornischem Recht können Opfer sexuellen Missbrauchs binnen drei Jahren, nachdem sie feststellen, seelische Schäden aus dem Missbrauch erlitten zu haben, Schadenersatzklage erheben.

So oder so ist der Ruf von Cosby, der sich oft als moralische Instanz aufspielte und den Afroamerikanern kollektiv vorwarf, immer nur zu jammern, statt sich zusammenzureißen, schwer beschädigt: NBC hat eine geplante neue Show mit ihm abgeblasen, immer öfter werden seine Auftritte abgesagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2015)

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