Frankreich: Kampagne gegen Umwandlung von Kirchen in Moscheen

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Wirbel in Frankreich um eine Petition gegen die angeblich drohende Umwandlung in Moscheen.

Es hat nur eine achtlose Bemerkung des Vorstehers der großen Pariser Moschee gebraucht, um in Frankreich gleich eine hitzige und letztlich völlig überzogene Debatte auszulösen, die seither fast zu einem ideologischen Kreuzzug ausartet.

Natürlich ist Dalil Boubakeur nicht irgendwer. Als Vorsitzender des „Conseil français du culte musulman“ ist er der offizielle Sprecher aller Muslime in Frankreich. Darum ging es auch nicht unter, als er vor einigen Wochen erklärt hatte, die gegenwärtig nicht weniger als 2200 Moscheen in Frankreich seien „völlig ungenügend“ für die Millionen Muslime im Land, und es brauche daher „mindestens doppelt so viele“. Auf die Frage, ob er sich denn vorstellen könne, ungenutzte christliche Gotteshäuser in Moscheen umzuwandeln, antwortete er unverbindlich: „Warum nicht? Wir haben doch denselben Gott und ähnliche Riten.“

Tatsächlich ist es nicht wirklich bekannt, wie viele Muslime es in Frankreich gibt, denn die laut Verfassung laizistische Republik darf darüber keine Erhebungen führen, weshalb alle einschlägigen Angaben auf unverbindlichen Umfragen und sozialwissenschaftlichen Studien beruhen. Zuletzt schwankte der Prozentsatz der Muslime an der Gesamtbevölkerung (67 Millionen) zwischen etwa sieben und elf Prozent, was 4,7 Millionen bis 7,4 Millionen Muslimen entspricht.

Sarkozy als „Kreuzritter“

Boubakeurs Äußerungen indes lösten empörte Reaktionen aus. Nur schon die albtraumartige Vorstellung, dass eines Tages der Muezzin vom Turm berühmter Gotteshäuser wie der Pariser Kathedrale Notre-Dame oder ihrer gleichnamigen „Schwesterkirche“ in Reims zum Gebet rufen könnte, ließ bei eifrigen christlichen Gralshütern das Blut in den Adern erstarren. „Rettet unsere Kirchen“, lautet der Kriegsruf der Petition, die im ultrakonservativen Magazin „Valeurs actuelles“ vom Schriftsteller Denis Tillinac mit der Überschrift „Touche pas à mon église“ (Greif mir meine Kirche nicht an) lanciert wurde. Unterschrieben wurde der Aufruf von konservativen Intellektuellen und Persönlichkeiten, aber auch von Politikern wie Ex-Staatspräsident Nicolas Sarkozy.

Diese werden mittlerweile auch von bürgerlichen und kirchlichen Kreisen wegen „übersteigerter Reaktion“ kritisiert. Denn obwohl es stimmt, dass es für moslemische Gläubige eigentlich zu wenige Moscheen gibt, dafür viele Kapellen und Kirchen aber kaum oder nicht mehr für Gottesdienste genutzt werden, hat niemand ernsthaft erwogen, Christen ihre Kirchen zu rauben. Es gibt auch keine Präzedenzfälle.

Hingegen könnte eine solche Polemik, die fahrlässig oder mutwillig Ängste und Feindbilder aus der Zeit der Kreuzzüge aufwärmt, die ohnehin gespannte Koexistenz bzw. Integration des Islam in eine weltliche westliche Republik ganz reell erschweren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2015)

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