Frankreich: Der Ärger mit den Abschleppern

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Die privaten Abschleppdienste in Paris sind notorisch unbeliebt, zumal die rot-grüne Stadtregierung die Zahl der Parkplätze eingeschränkt hat. Dies führt mitunter zu kleinen Revolten.

Paris. Frühmorgens, gleich nach sieben Uhr, beginnt in Paris an jedem Werktag derselbe Reigen im Quartier. Zuerst taucht ein weißes Fahrzeug mit der Aufschrift „Préfecture de Police“ auf. Die Polizei macht sich auf die Jagd nach Parksündern. Zuerst kommen diejenigen dran, die bei der Heimkehr in der Nacht mangels Alternative ihr Fahrzeug auf den für die Lieferdienste reservierten Feldern abgestellt haben. Nur wer gut informiert ist, weiß, dass dies zumindest auf den gestrichelt gelb umrandeten Flächen von 20 Uhr bis sieben Uhr erlaubt ist – nicht aber auf den übrigen.

Jeder Pariser Autofahrer weiß, dass jeder Versuch zu argumentieren oder gar die strengen Hüterinnen der Parkordnung – oft Polizistinnen – zu bezirzen, völlig zwecklos ist und die Sache nur noch verschlimmert. Doch nicht die Geldstrafe fürchten die Parksünder am meisten. Viel penibler ist eine Zusatzstrafe für die Undisziplinierten. Ihre Vehikel werden mit einem Aufkleber subito zum Abschleppen freigegeben.

Sofort nach den Beamten mit dem Strafzettel kommen die privaten Abschleppfirmen. Sie müssen nur der Polizei-Patrouille folgen, um ein Opfer zu finden. Für jedes Fahrzeug, dass sie in eine der sechs Fourrières (Fundstellen) am Stadtrand entführen, kassieren sie 150 Euro. Um ihr Auto auszulösen, müssen die Besitzer – sofern sie mit etwas Glück im nächsten Polizeikommissariat in Erfahrung gebracht haben, wo sich ihr Auto befindet – eine Tagesgebühr von 29 Euro bezahlen.

Es versteht sich, dass die Betroffenen alles versuchen, um zum Teil mit Händen und Füßen zu verhindern, dass ihr Auto abgeschleppt wird. Wer sich wehrt, hat eine echte Chance, denn die Solidarität der anderen Pariser Autobesitzer ist ihm gewiss. Das belegt ein Vorfall in der Rue des Batignolles im 17. Arrondissement: Ein 60-Jähriger hatte sein Auto kurz vor einem Toreingang abgestellt. Als er wenige Minuten später wegfahren wollte, hatte er bereits einen Strafzettel unter dem Scheibenwischer und den Aufkleber auf der Windschutzscheibe. Die Abschlepper waren schon am Werk, als der Autobesitzer in seiner Panik versuchte, trotzdem wegzufahren, was ihm wegen der blockierten Räder nicht gelang. Trotzig blieb er im Auto sitzen und weigerte sich unter dem Beifall der Zuschauer auszusteigen.

Boom für Mieträder

Dem Abschlepper blieb nichts anderes übrig, als die Polizei zu Hilfe zu rufen. Das wiederum verstärkte nur noch die Unterstützung der wachsenden Passantenschar für den Sitzstreikenden. Zum Schluss wurden rund 20 Beamte, einige davon angeblich sogar mit schusssicheren Westen, mobilisiert, um den Widerstand des renitenten Senioren zu brechen und ihn unter dem Protestgeheul des Publikums an den Füßen aus dem Auto zu zerren. „Bravo, 20 Polizisten gegen einen Opa!“, kommentierten einige empört das Schauspiel. Doch nichts half, der Parksünder wurde abgeführt, sein Auto abgeschleppt. Er riskiert wegen seines verzweifelten Widerstands zusätzlich eine dreimonatige Haftstrafe und 3750 Euro Strafgeld.

Man kann sich vorstellen, wie unbeliebt die Betreiber des lukrativen Abschleppgeschäfts sind, wenn sie wie Geier in den Quartieren mit den viel zu raren legalen Parkgelegenheiten kreisen. So erzählen sich die Pariser, dass kürzlich ein Auto mit einem schlafenden Kind abtransportiert worden sei. Andere Opfer behaupten, aus ihren Fahrzeugen seien kleine Wertgegenstände verschwunden.

Die Interessengemeinschaft der privaten Abschlepper mit der Polizei ist offensichtlich. Auch hält sich hartnäckig das Gerücht, dass umgekehrt gewisse Ladeninhaber präventiv mit kleinen Geschenken dafür sorgen, dass ihnen gegenüber ein Auge zugedrückt wird.

Das mag üble Nachrede sein, illustriert aber die gestörten Beziehungen zwischen den Ordnungshütern und den Pariser Autofahrern. Diese waren in der französischen Hauptstadt bis vor zehn Jahren die Könige der Straße, heute aber fühlen sie sich von der Verkehrspolitik der grün-roten Stadtregierung verfolgt und verfemt. Sie hat nämlich die Zahl der notorisch knappen Parkplätze um 15 Prozent verringert. Wer sich den Ärger ersparen will, muss aufs Zweirad umsteigen: Die Mieträder (Vélib) erleben in Paris einen Boom.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2015)

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