14-jährige Israelin erobert die Modewelt

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Sofia Mechetner, ein ätherisches Wesen aus ärmlichem Hause, wurde blitzartig zur neuen Attraktion im Modezirkus und modelte für Dior. Die Karriere in so jungen Jahren erntet viel Kritik.

Tel Aviv/Paris. Die Geschichte von Aschenputtel erzählt von einem hübschen Mädchen: In Armut geboren, gelangt es schließlich an den Hof des Königs und wird dort „entdeckt“. In Israel hat sich nun eine Geschichte zugetragen, die sich wie eine moderne Version des Märchens liest: Was bei Aschenputtel der Palast des Prinzen war, ist hier das Modehaus Christian Dior. Die Protagonistin stammt aus Israel, heißt Sofia Mechetner. Und ist 14 Jahre alt.

Sie wohnt in Holon nahe Tel Aviv. Vor rund einem Monat tauchte das Mädchen plötzlich auf den Fernsehbildschirmen und in den Modezeitschriften der Welt auf. Die bis dahin Unbekannte war als Model bei der Pariser Modewoche gelaufen. Als erstes und damit wichtigstes Model hatte sie die Schau von Dior angeführt.

In der internationalen Promi- und Glitzerwelt hat Israel nicht allzu viele Prominente zu bieten. Eine davon ist das Supermodel Bar Rafaeli (30). Die Aussicht, eine zweite Schönheit internationaler Klasse im Land zu haben, ließ israelische Medien aufjubeln: „Israels aufstrebendes Supermodel“ titelte die „Jerusalem Post nach Mechetners Auftritt in Paris.

Die junge Frau stammt aus ärmlichen Verhältnissen: Die Mutter, Immigrantin aus Russland, hielt die Familie mit Gelegenheitsjobs als Putzfrau und Näherin über Wasser. Sofia kümmerte sich tagsüber um ihre Geschwister, kochte, machte die Betten und wusch Wäsche. In der Nacht teilte sie sich mit ihren Geschwistern ein Zimmer. Aus Platzmangel schlief Mechetner auf einer Matratze auf dem Boden. So haben es das junge Model und ihre Mutter jedenfalls dem Sender Channel2 erzählt.

Die Macht des Zufalls

Irgendwann wurde Mechetner immer öfter auf ihre körperliche Größe und Schönheit angesprochen. Also meldete die Mutter sie bei einer Modelagentur in Tel Aviv an. Den Karriereschub brachte aber der Zufall: Während eines von der Agentur vermittelten Besuchs in Paris traf Mechetner in einem Dior-Geschäft Raf Simons, den Chefdesigner der Marke. Der buchte sie daraufhin als Model.

In die vielen Berichte über Mechetners Erfolg mischt sich zuweilen aber Empörung, nämlich weil sie erst 14 Jahre alt ist. Mechetner sei viel zu jung, um Haute Couture zu tragen, sagen Kritiker, und überhaupt praktisch noch ein Kind, das eigentlich noch nicht arbeiten dürfe. Viele störten sich an dem Kleid, das sie bei der Dior-Schau trug: Die lange, weiße Tunika war zwar hochgeschlossen, aber hochgradig transparent.

Vor einigen Jahren war ein 14-jähriges polnisches Model von der Modewoche in Australien ausgeladen worden, nachdem es einen Aufschrei der Empörung und Vorwürfe wegen Kindesmissbrauchs gegeben hatte. Die Organisatoren in Sydney legten das Mindestalter daraufhin mit 16 fest. Wenig später zog die Londoner Fashion Week mit einer ähnlichen Regelung nach.

Roberto Ben Schoschan, Gründer der Agentur, die Mechetner vertritt, musste sich nach dem Auftritt im israelischen TV rechtfertigen. Das Mädchen werde gut betreut, sagte er, bei Auslandsreisen begleite es eine Mitarbeiterin. „Glauben Sie nicht, dass es für eine 14-Jährige zu viel sein könnte?“, fragte die Moderatorin. Dass der Druck, die Blicke ihr schaden könnten? „Vielleicht“, erwiderte Schoschan, „vielleicht auch nicht.“

„Laszive Mode ist Kunst“

Das ungute Gefühl, das viele haben, wird dadurch verstärkt, dass eine Pariser Agentur Mechetner anfangs abgelehnt hatte: des Alters wegen. Sie selbst hat offenbar kein Problem mit der Arbeit als Model oder mit dem durchsichtigen Kleid. Laszive Mode sei eine Art von Kunst, sagte sie der „Jerusalem Post“. Das israelische Fernsehen wollte wissen, was sie mit ihrem Dior-Honorar machen werde. „Ich denke, wir ziehen in eine größere Wohnung“, sagte sie. Sie freue sich auf ein eigenes Zimmer. (DPA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2015)

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