Abfalleimer Afrika: Europas Computer zerstören Ghana

Elektromuell-Deponie Agbogbloshie
Elektromuell-Deponie Agbogbloshie(c) Die Presse (Thomas Seifert)
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Europäischer Elektroschrott verseucht im ghanaischen Agbobloshie das Trinkwasser und bedroht die Gesundheit der Bewohner. Der Westen reagiert - aber nur langsam.

WIEN/ACCRA. Vor ein paar Jahren war Agbobloshie ein Küstenstreifen am Atlantik, ein schöner Flecken Land, durchflossen vom Fluss Odaw. Der Fluss ist heute eine dunkle, dreckige Brühe, wo einst Felder und Wiesen waren, ist heute eine Müllhalde, ein Schrottplatz und ein Second-Hand-Markt für Dinge, die ein europäischer Konsument als wertlos und unbrauchbar qualifizieren würde.

Meterhoch türmen sich Computer, Monitore, Drucker, Tastaturen, Fernseher, Plastikteile, Autobatterien, Kühlschränke und Motorblöcke. Rauchschwaden steigen in den Himmel, der beißende Gestank von brennendem Plastik liegt in der Luft. Der Boden, das haben Untersuchungen von Greenpeace ergeben, ist verseucht, das Trinkwasser vergiftet.

Ein infernalischer Ort

Dieser infernalische Ort ist der Arbeitsplatz des elfjährigen Emmanuel. Er kommt aus Kumasi, der 270 Kilometer nordwestlich von Accra gelegenen Hauptstadt der Ashanti-Region. Jeden Tag sucht er auf der Elektromüllhalde von Agbobloshie nach Metall, vor allem nach Kupfer, durch dessen Verkauf er mithilft, seine Familie über Wasser zu halten. Die „Presse am Sonntag" berichtete schon am 5. April über Elektroschrott in Ghana und besuchte Agbobloshie. Nun sind Mitarbeiterinnen der österreichischen Entwicklungsinformationsagentur „Südwind" aus Ghana zurückgekehrt. Sie recherchierten ebenfalls in Ghana und sprachen bei einer Pressekonferenz in Wien über die Resultate ihrer Nachforschungen. Sie erzählten von jenen, die ihren Lebensunterhalt damit bestreiten müssen, den Wohlstandsmüll aus Europa und den USA wenig fachgerecht zu beseitigen. Dabei ist Emmanuel nur einer von vielen Kindern und Jugendlichen, mit denen das „Südwind"-Team sprach.

„Illegale Praxis stoppen"

(c) Die Presse (Thomas Seifert)

„Emmanuels schmutzige Wunde war nur notdürftig mit einem Isolierband überklebt, und das bei dem enormen Infektionsrisiko auf der Halde", erzählt „Südwind"-Mitarbeiterin Christina Schröder. Umweltaktivist Mike Anane, berichtet Schröder, habe Emmanuel einen Zehn-Cedi-Schein (umgerechnet fünf Euro) in die Hand gedrückt und ihn ins Spital geschickt. Wenig später sei Emmanuel wieder auf der Müllhalde zu sehen gewesen - mit frisch verbundener Hand.

„Unser Wohlstandsmüll landet verbotenerweise in Afrika und bringt dort die Menschen in große Gefahr. Die Verantwortlichen aus der Politik und von Elektro- und Elektronikunternehmen müssen dafür sorgen, dass diese illegale Praxis gestoppt wird", sagt Schröder. Die Mengen, um die es geht, sind gewaltig: Bis zu 50 Millionen Tonnen Elektroschrott fallen laut Umweltprogramm der Vereinten Nationen jährlich weltweit an, in der Europäischen Union sind es pro Jahr rund 8,7 Millionen Tonnen. Laut Studie der EU-Kommission wird weniger als die Hälfte der verkauften Geräte gesetzeskonform wiederverwertet.

Doch langsam werden Computerbenutzer auf das Problem aufmerksam - und auch die Computerhersteller setzen erste Schritte.

Dell setzt Zeichen

Der Computerhersteller Dell hat jetzt den Export von defekten Computern, Monitoren und Geräteteilen in Entwicklungsländer verboten. Dell arbeitet nach eigenen Angaben mit 25 Recyclingfirmen weltweit zusammen, die ständig kontrolliert werden, wie der für Umweltfragen zuständige Dell-Manager Mark Newton erklärt. Wer gegen die Regeln verstoße, bekomme noch eine Chance. Im Wiederholungsfall werde der Vertrag gekündigt; es gebe genug Firmen, die nur darauf warteten, an ihre Stelle zu treten. Newton sprach auch einen der Hauptpunkte bei der Eindämmung des Problems an. Viele Geräte werden einfach als Gebrauchtcomputer deklariert, so kann man zumindest in Europa die einschlägigen Umweltgesetze umgehen: „Wenn das Gerät nicht funktioniert, dann betrachten wir es als Elektromüll, der nicht exportiert werden darf, und damit Punkt."
Apple lässt nach eigenen Angaben defekte Geräte in den Ländern recyceln, in denen sie abgegeben wurden. „Hewlett Packard" verbietet den Export von Elektronikschrott in Entwicklungsländer.

Mahnungen an USA

Umweltorganisationen drängen die US-Regierung dazu, das Basler Abkommen, das den Export von gefährlichen Abfällen verbietet, zu unterzeichnen. Bisher hat sich Washington geweigert, das Abkommen, das in der EU bereits seit Jahren umgesetzt ist, zu ratifizieren.
„Wir begrüßen dieses Zeichen von Dell in jedem Fall", kommentiert „Südwind"-Sprecherin Schröder im Gespräch mit der „Presse", „der Hersteller übt so als Vorreiter Druck auf den Mitbewerb aus."

(Die Presse, Printausgabe, 20. 5. 2009)

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