Kolosseum soll kein Schauplatz für Arbeitskämpfe sein

Rom
Rom(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Andreas Pranter)
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Italien beschränkt nach mehreren Vorfällen das Streikrecht der Beschäftigten in Museen, Denkmälern und anderen Kulturdenkmälern.

Rom. „Von Kultur kann man nicht abbeißen“, sagte Ex-Premier Silvio Berlusconis Finanzminister, Giulio Tremonti, einmal – und strich die entsprechenden Haushaltsposten zusammen, gnadenlos, Jahr für Jahr. „Kultureinrichtungen sind lebenswichtig“, meint fünf Jahre später die Mitte-links-Regierung von Matteo Renzi – und wendet diese revolutionäre Einsicht erst einmal gegen die Gewerkschaften.

Die hatten für einen Skandal gesorgt, als sie vor Kurzem das meistbesuchte Baudenkmal Italiens lahmlegten. Wegen einer Betriebsversammlung blieb das Kolosseum in Rom mehr als drei Stunden zu, tausende Touristen standen vor den Gattern; nicht wenige, eingezwängt in eng organisierte Reisepläne, mussten ohne Besichtigung wieder abziehen. Und das war keine Premiere: In Pompeji etwa passiert dergleichen häufiger.

„Da reisen die Touristen 9000 Kilometer extra wegen dieser Weltkulturstätten an, geben tausende Dollar aus und scheitern an Gewerkschaften, die unsere Nationalmonumente als Geiseln nehmen“, zürnte Renzi: „Aber jetzt ändert sich die Musik!“ Gesagt, getan: Umgehend erließ die Regierung ein Dekret, das Museen und Ausgrabungsstätten beim Streikrecht den „essenziellen Einrichtungen“ Italiens gleichstellt. Die Gewerkschaften können Versammlungen abhalten, müssen aber den Weiterlauf des Basisbetriebs garantieren, genauso wie schon bisher etwa in Krankenhäusern, Schulen, bei der Polizei, im öffentlichen Verkehr. Außerdem müssen Streiks zwei Wochen vorab angemeldet und von der Regulierungsbehörde für den öffentlichen Dienst genehmigt werden. Die Rechte der „zu schützenden Personen“ – diesfalls Touristen – sind im Einzelfall nun abzuwägen gegen das von der italienischen Verfassung garantierte Streikrecht jedes einzelnen Beschäftigten.

Kultur als Cashcow

Jetzt muss es die Regierung nur noch schaffen, den Grund für den jüngsten Ausstand zu beseitigen: Die Beschäftigten in Kolosseum & Co. kriegen seit Monaten weder Überstunden- noch Feiertagszuschläge; auch für andere Lohnbestandteile hat der Kulturminister das Geld nicht. Vielleicht sollte er beherzigen, was nach Giulio Tremontis Spruch eine Studie unumstritten festgestellt hatte: Für jeden in die Kultur in Italien investierten Euro fließen über Tourismus und Co. 2,49 Euro in die nationale Wirtschaft zurück. Von wegen „Da kann man nicht abbeißen“. (pk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2015)

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