Flug 9268: Welche Fakten sprechen für einen Anschlag?

Ein russischer Ermittler an der Absturzstelle auf der Halbinsel Sinai.
Ein russischer Ermittler an der Absturzstelle auf der Halbinsel Sinai.REUTERS
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Experten halten einen Bomben-Anschlag durch den IS für möglich. Russland spricht von "reiner Spekulation". Großbritannien hält einen Anschlag für "zunehmend wahrscheinlich".

War es eine Bombe, die Flug KGL 9268 zur Katstrophe werden ließ? Diese Frage beschäftigt derzeit Experten weltweit inklusive aller Geheimdienste. Eine Antwort darauf gibt es derzeit nicht. Es gibt lediglich Inidizien, es gibt lediglich Dinge, die ausgeschlossen werden können.

Doch es gibt auch Wortmeldungen, die die Bomben-Theorie nähren. Jene des britischen Außenministers Philipp Hammond etwa. Ein Sprengkörper sei eine "signifikante Möglichkeit" als Ursache, sagte dieser am Mittwochabend in London. Es seien verschiedene Quellen ausgewertet worden, bevor die Regierung zu dem Schluss gekommen se - welche Quellen, das ließ er offen. Premier David Cameron legte wenig später nach: "Wir können nicht sicher sein, dass das russische Passagierflugzeug von einer terroristischen Bombe zum Absturz gebracht wurde, aber es sieht mit zunehmender Wahrscheinlichkeit aus, als sei das der Fall gewesen."

Indizien, kaum Fakten

Fest steht: Nach dem Start in Sharm el-Sheikh am Samstag war der Airbus A321 der sibirischen Firma Kolavia über der Sinai-Halbinsel abgestürzt. Der Flieger startete gegen 6 Uhr mit 224 Menschen an Bord. Zwanzig Minuten später dann ein plötzlicher Geschwindigkeits- und Höhenverlust, die Maschine verschwand von den Radarschirmen. Alle Insassen kamen ums Leben.

Die Trümmerteile liegen in einem rund 40 Quadratkilometer großen Areal in den Bergen. Stimmenrekorder und Flugdatenschreiber wurden entdeckt. Die Agentur Interfax schreibt, dass kurz vor dem Absturz ungewöhnliche Geräusche aufgenommen wurden. Details zu dieser Meldung gibt es bis jetzt keine. Dass die Trümmer des Airbus' in einem derart großen Gebiet verteilt liegen, ist für Experten ein Hinweis darauf, dass das Flugzeug bereits in der Luft auseinandergebrochen ist.

Ein weiteres Indiz für eine Bombe könnten Bilder eines US-Satelliten sein. Dieser sollte eigentlich Raketenstarts erfassen, nahm aber zum Absturzzeitpunkt einen Hitzeblitz in der Gegend auf. Dafür gibt es allerdings mehrere mögliche Ursachen, eine Explosion wäre eine Variante, allerdings könnte diese auch von einem technischen Defekt ausgelöst worden sein.

Briten fliegen Sharm el-Sheikh nicht mehr an

Das war es dann auch schon wieder mit den Hardfacts. Demensprechend klar auch die Statements aus Russland und der Türkei: Nur eine "Untersuchung" könne die Gründe für das Unglück ans Licht bringen, doch gebe es bisher dazu keine offiziellen "Aussagen" der Ermittler, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag. "Jede andere vorgeschlagene Erklärung mutet wie eine unbestätigte Information oder irgendeine Art von Spekulation an", fügte Peskow hinzu

Ähnlich äußerte sich der ägyptische Minister für die zivile Luftfahrt, Hossam Kamal. Die Ermittler verfügten "noch nicht über Beweise oder Daten, die die Theorie bestätigen", dass es sich um einen Bombenanschlag handle, erklärte Kamal am Donnerstag in Kairo. Ähnlich hatte sich Außenminister Samih Shoukri am Mittwoch geäußert. Vorschnelle Urteile oder Maßnahmen könnten negative Auswirkungen auf eine große Zahl von Ägyptern haben, die von der Tourismusindustrie lebten.

Damit meinte Shoukri auch den britischen Außenminister Hammond. Dieser warnte vor Flugreisen nach oder über Sharm el-Sheikh in Ägypten. Es würden vorerst keine Flüge von Großbritannien in die Region am Roten Meer starten. Auch Irland ließ vorerst keine Flugzeuge mehr von und nach Sharm el-Sheikh fliegen. Nach dem Stopp aller Flüge sitzen nach Angaben des britischen Verbands der Reiseanbieter mindestens 9000 Briten in der ägyptischen Urlaubsregion fest. Auch niederländische Fluggesellschaften fliegen zunächst bis Sonntag nicht mehr die ägyptische Urlaubsregion an.

Bekenner gibt es schon

Was noch für eine Bombe sprechen könnte: Unmittelbar nach dem Absturz hatte ein Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) behauptet, für den Absturz verantwortlich zu sein. Experten bezweifelten, ob das stimmt. Die Extremisten bekräftigten am Mittwoch in einer Audionotiz im Namen des IS-Ablegers auf dem Sinai ihre Behauptung, den Absturz verursacht zu haben. Gegebenenfalls werde man irgendwann nähere Informationen dazu veröffentlichen, hieß es. Die Stellungnahme konnte zunächst nicht unabhängig verifiziert werden. Beweise blieben aus.

Einem CNN-Bericht zufolge schließen aber die US-Geheimdienste einen Anschlag nicht aus. "Es gibt ein eindeutiges Gefühl, dass es ein Sprengkörper war, der im Gepäck oder anderswo im Flugzeug versteckt wurde", zitierte der Sender einen namentlich nicht genannten Vertreter der US-Regierung. Es gebe aber keine belastbaren oder bestätigten Geheimdienstberichte für eine spezifische Bedrohung vor dem Absturz. Die US-Geheimdienste seien noch zu keinem Ergebnis gekommen.

Analyse wird dauern

Die Arbeiten an dem Wrack sind auch wegen Extremisten auf der Halbinsel extrem riskant. Bei einem Selbstmordanschlag auf dem Sinai kamen am Mittwoch mindestens vier Menschen ums Leben. Die Autobombe galt einem Club für Polizeibeamte westlich der Stadt Al-Arish im Norden der Unruheregion. Die IS-Miliz bekannte sich in einer zunächst nicht verifizierbaren Twitter-Stellungnahme auch zu dem Attentat. Weite Teile des Nordsinai sind militärisches Sperrgebiet. Es gibt immer wieder Anschläge auf Sicherheitskräfte und Kämpfe mit Toten auf beiden Seiten.

(APA/dpa/Reuters/klepa)

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