Erfolgreicher Studentenprotest

„Wir lieben das Spiel, aber letztlich ist es nur das: ein Spiel.“ Die Footballspieler der University of Missouri drohten im Streit mit der Uni-Führung mit Streik.
„Wir lieben das Spiel, aber letztlich ist es nur das: ein Spiel.“ Die Footballspieler der University of Missouri drohten im Streit mit der Uni-Führung mit Streik.(c) imago/UPI Photo
  • Drucken

Nach Spannungen wegen rassistischer Angriffe trat der Rektor der University of Missouri zurück. Eine Streikdrohung des American-Football-Teams gab den Ausschlag.

Washington. Ein Hakenkreuz, mit Fäkalien an die Wand eines Duschraums eines mehrheitlich von Schwarzen bewohnten Studentenheims geschmiert; der Vorsitzende der Studentenvertretung, der sich auf offener Straße von Weißen als Nigger beschimpfen lassen muss; ein hungerstreikender Student, der aus Protest gegen die seiner Meinung nach gleichgültige Haltung der Verantwortlichen seit einer Woche nichts mehr gegessen hatte: all diese Ereignisse an seiner Hochschule hatten Timothy Wolfe, den Rektor der University of Missouri, unberührt gelassen. Doch als das populäre American-Football-Team dieser traditionsreichen staatlichen Hochschule am vergangenen Samstag erklärte, aus Solidarität mit dem hungerstreikenden Studenten Jonathan Butler so lang nicht zu Spielen anzutreten, bis Rektor Wolfe zurücktritt, war eine rote Linie überschritten: Wolfe, ein langjähriger hoher Manager der Technologiekonzerne IBM und Novell, erklärte am Montag den Rückzug von seinem Amt. Er übernehme die Verantwortung für den Ärger und die Frustration auf dem Campus und hoffe, mit seinem Rücktritt einen Heilungsprozess an der 19 Fakultäten und rund 35.000 Studenten zählenden Universität in der Stadt Columbia einzuleiten.

College-Football, Geld und Prestige

Für die mehrheitlich schwarzen Studentenaktivisten war das ein lang ersehnter Erfolg. Sie hatten bereits ein aus rund zwei Dutzend Zelten bestehendes Protestlager auf dem Campus errichtet und Rektor Wolfe während der jährlichen Straßenparade konfrontiert, doch weder diese Formen des Aktivismus noch der Hungerstreik von Jonathan Butler hatten die Hochschule zu Maßnahmen gegen den weit verbreiteten Rassismus bewogen, der das Zusammenleben von schwarzen und weißen Studenten erschwerte. Wolfe agierte ungeschickt und machte sich mit deplacierten Aussagen zur Zielscheibe der zusehends wütenden Demonstranten.

„Was ist für Sie systematischer Rassismus?“, wollten sie bei einer Diskussion von ihm wissen. „Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie nicht dieselben Chancen auf ein Vorankommen haben“, antwortete er. Das half nicht wirklich bei der Deeskalation. Die Drohung der Spieler der Tigers, am kommenden Samstag nicht gegen die Mannschaft der Brigham Young University anzutreten, hat die Universitätsführung jedoch aufgeschreckt. Der Ausfall des Spieles hätte einen unmittelbaren Verlust von einer Million Dollar (930.000 Euro) an Einnahmen gebracht, dazu wären mögliche Strafzahlungen gekommen. Wie fast alle US-Hochschulen verwendet auch die University of Missouri ihr großzügig finanziertes College-Football-Team, um Spenden von Alumni einzuwerben und sich die Übertragungsrechte für Spiele von Fernsehkonzernen teuer bezahlen zu lassen.

Der „Kansas City Star“ berichtete, dass die Sportabteilung der Universität (de facto das Footballteam) im Haushaltsjahr 2014 einen Umsatz von 83,7 Millionen Dollar erzielte, das waren um zehn Prozent mehr als im Jahr davor. Dem standen allerdings auch Schulden von rund 60 Millionen Dollar für den Ausbau der Sportanlagen gegenüber.

Übergriffe gegen Fotoreporter

Die Antirassismusaktivisten legten allerdings auch ein bedenkliches Verständnis von Öffentlichkeit und Pressefreiheit an den Tag. Als der Student Tim Tai (er ist asiatischer Herkunft) versuchte, die auf dem öffentlichen Campus stattfindenden Proteste in seinem Nebenjob für den Sportsender ESPN zu fotografieren, wurde er von einer Gruppe mehrheitlich weißer Studenten abgedrängt, verspottet und beschimpft. Eine (ebenfalls weiße) Assistenzprofessorin namens Melissa Glick versuchte, ihm die Kamera zu entreißen. Ihr Lehrgebiet: Massenmedien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.