Frankreich: Gegen Grapschen in der U-Bahn

Stoßzeit in der Pariser U-Bahn
Stoßzeit in der Pariser U-Bahn(c) EPA (IAN LANGSDON)
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Die Regierung hat eine landesweite Kampagne gegen sexuelle Belästigungen in den öffentlichen Verkehrsmitteln gestartet.

Paris. Nahezu alle Frauen, die in Frankreich regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel benutzen, beklagen sich über sexuelle Belästigungen und Beleidigungen – das ist das Ergebnis von gleich mehreren Umfragen. Die Frauen erzählen von geschmacklosen Bemerkungen und plumper Anmache durch männliche Machos, aber auch von sexistischen Beschimpfungen, in schlimmeren Fällen von handgreiflichen Aggressionen, besonders dann, wenn etwa die Pariser Metro oder ein Waggon der Vorortsbahn RER in Stoßzeiten zum Bersten voll ist. Dann missbrauchen gewisse Männer das Gedränge für Annäherungen und Berührungen.

Besonders schockierend daran ist, dass die sexistischen Täter sich selbst geradezu im Recht fühlen und nicht im Geringsten daran denken, dass diese Belästigungen ein Delikt im Sinn des Strafrechts darstellen. Aber auch die Passagiere rundherum schauen oft lieber geniert weg, statt sich mit den Opfern zu solidarisieren.

Das soll sich nun ändern. Die Staatssekretärin für Frauenrechte, Pascale Boistard, hat in Zusammenarbeit mit den Pariser Verkehrsbetrieben RATP und der Bahngesellschaft SNCF eine Kampagne lanciert. Auf Plakaten steht am Ende einer Art Metro-Linie mit Namen von Haltestellen in Form eskalierender Beschimpfungen der Slogan „Es reicht!“: „Stop – ça suffit!“ Damit sollen diese täglichen Belästigungen öffentlich als gesellschaftliches Problem zur Sprache kommen und bekämpft werden.

Busse stoppen nach Belästigung

Mit Videos aus dem Internet werden die Passagiere informiert und ebenfalls zur Mitarbeit gegen Belästigungen im Verkehrsalltag aufgefordert. Die Beamten der Metro-Polizei sollen künftig entschlossener gegen Sexisten und Grapscher vorgehen, deren Tätlichkeiten alles andere als ein Kavaliersdelikt sind. Laut Gesetz können tätliche sexuelle Belästigungen mit sechs Monaten Haft und bis zu 75.000 Euro bestraft werden. Damit das nicht Theorie bleibt, müssten sich die Opfer wehren und gegebenenfalls Klage einreichen. Dazu werden spezifische Notrufnummern eingerichtet, die Polizisten und das Personal der Verkehrsbetriebe sollen dementsprechend ausgebildet werden.

In der Stadt Nantes können außerdem die Busfahrer auf Wunsch von bedrohten oder belästigten weiblichen Passagieren zu später Stunde auch zwischen den Haltestellen stoppen. Falls sich dieser Versuch bewährt, soll dies auf alle Buslinien im Land ausgeweitet werden. (r. b.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2015)

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