Klimagipfel: "Welt hat ein Rettungsseil bekommen"

Erleichterung bei den Gastegebern: UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon, Frankreichs Außenminister Laurent Fabius und Präsident Francois Hollande.
Erleichterung bei den Gastegebern: UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon, Frankreichs Außenminister Laurent Fabius und Präsident Francois Hollande.REUTERS
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"Historisch" preisen Spitzenvertreter das Klimaschutzabkommen. Erste Reaktionen zeigen auch - die eigentliche Arbeit im Kampf gegen die Erderwärmung steht erst bevor.

Nach der Einigung auf dem Klimagipfel in Paris ist das Ergebnis weltweit gefeiert worden. Allerdings wurde in den ersten Reaktionen immer wieder betont, dass die eigentliche Arbeit im Kampf gegen die Erderwärmung noch geleistet werden müsse.

"Mit dem heute verabschiedeten Klimavertrag hat sich zum ersten Mal die gesamte Weltgemeinschaft zum Handeln verpflichtet", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am späten Samstagabend. "Ungeachtet der Tatsache, dass noch viel Arbeit vor uns liegt, ist dies ein Zeichen der Hoffnung, dass es uns gelingt, die Lebensbedingungen von Milliarden Menschen auch in Zukunft zu sichern."

US-Präsident Barack Obama sprach von der besten Chance "den einzigen Planeten zu retten, den wir haben". Das amerikanische Volk könne Stolz sein, sagte er in Washington: "In den vergangenen sieben Jahren haben wir die USA zum weltweiten Vorreiter im Kampf gegen die Klimaveränderung umgewandelt." Das Ergebnis sei "ein Tribut an die amerikanischen Führungsqualitäten". US-Außenminister John Kerry sprach vor Ort in Paris von "einem Sieg für den ganzen Planeten und zukünftigen Generationen".

"Unser Kopf bleibt über Wasser"

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, mahnte, dass die Regierungen nun den Worten auch Taten folgen lassen müssten. Ihr Kollege Jim Yong Kim von der Weltbank sagte, der Gipfel habe seine Ziele erreicht - "Paris hat geliefert", erklärte er. Nun stünden alle gemeinsam in der Verantwortung. Auch aus der Industrie kam Lob. Unilever -Chef Paul Polman sprach von "einem eindeutigen Signal an die Wirtschaft und die Finanzbranche", das zu einem wirklichen Wandel führen werde.

Einige Länder hatten vor dem Gipfel gewarnt, ihre Existenz wäre durch einen Anstieg des Meeresspiegels wegen die Erdwärmung gefährdet. Die für Klimafragen zuständige Botschafterin des pazifischen Inselstaates Palau, Olai Uludong, lobte das Ergebnis am Samstag ebenfalls. "Unser Kopf bleibt über Wasser", sagte sie.

Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, sprach seinerseits von einem Rettungsring, dem die Welt zugeworfen bekommen habe - "eine letzte Chance, den kommenden Generationen eine stabilere, gesündere Welt mit gerechteren Gesellschaften und blühenderen Volkswirtschaften zu übergeben". EU-Umweltkommissar Miguel Arias Canete fasste die Stimmung nach dem Gipfel zusammen: "Heute feiern wir, morgen müssen wir uns an die Arbeit machen."

Greenpeace: Hakt an Umsetzung

Aus Sicht der Umweltschutzorganisation Greenpeace ist das Abkommen zwar ein "historischer Schritt", greift aber noch nicht weit genug. Denn obwohl sich die Staaten darauf geeinigt haben, die globale Erderwärmung auf weit unter zwei Grad zu begrenzen, soll die Umsetzung spät erfolgen: Erst im Laufe der zweiten Jahrhunderthälfte will man den Ausstoß an Emissionen auf Null senken.

"Das wäre so, als ob man sich jetzt dazu entscheidet die Stromkosten zu senken, aber erst in einem Jahr das brennende Licht in der Wohnung abdreht", sagte Adam Pawloff, Klima- und Energiesprecher von Greenpeace in Österreich: "Ein guter Ansatz, doch an der Umsetzung hakt es noch." Trotz der zeitlichen Verzögerung bedeute dieses Ziel ein absehbares Ende von Kohle, Öl und Gas. Denn um den Treibhausgasausstoß in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf Null zu senken, muss der Ausstoß von CO2 bereits wesentlich früher gestoppt werden. "Jetzt wird sich jeder Investor drei Mal überlegen, ob er weiterhin Geld in Kohlekraftwerke oder Ölprojekte stecken möchte. Das Ende der fossilen Ära wurde heute eingeläutet", sagte Pawloff.

Global 2000 forderte nach dem Abschluss des Klimaschutzabkommens "mehr Herzblut beim Klimaschutz": "Der Vertrag setzt das klare Ziel, die globale Erwärmung auf weit unter zwei Grad und maximal 1,5 Grad einzudämmen. Dieses Ziel muss jetzt aber auch in den einzelnen Ländern umgesetzt werden. Dafür braucht es mehr Ambition als bisher und auch in Österreich muss der Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energie in Angriff genommen werden", betonte Johannes Wahlmüller, Klimasprecher und langjähriger Beobachter der UN-Klimakonferenzen.

Kernaussagen der Vereinbarung

Ziel: Die Erderwärmung soll auf klar unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt werden. Die Vertragsstaaten sollten sich sogar anstrengen, sie bei 1,5 Grad zu stoppen.

Weg zum Ziel: Die Staaten wollen gemeinsam den Netto-Ausstoß ihrer Treibhausgase in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts auf Null bringen: Sie dürfen dann nur noch so viele Treibhausgase ausstoßen, wie etwa mit Waldanpflanzungen oder durch Speichern von Kohlendioxid (CO2) im Boden aus der Atmosphäre gezogen werden kann. Für viele Forscher bedeutet dies, dass die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas im Fall des Zwei-Grad-Ziels bis 2070 aufhören muss. Die Länder sollen ihre Ziele alle fünf Jahre nachbessern, zum ersten Mal 2020.

Geld für Klimaschutz: Von 2020 bis 2025 sollen die Industriestaaten jährlich 100 Milliarden Dollar (91 Milliarden Euro) für Entwicklungsländer bereitstellen. Für die Jahre danach soll es ein neues, höheres Ziel geben. Andere Länder "werden darin bestärkt", sich "freiwillig" an der Finanzierung zu beteiligen. Dieser Satz bezieht sich vor allem auf Ölstaaten und Schwellenländer.

Verluste und Schäden: Die Vertragsstaaten erkennen die Notwendigkeit an, ärmeren Staaten bei Verlusten und Schäden durch den Klimawandel zu helfen. Dazu zählen Dürren, Überschwemmungen, der Untergang von Inseln oder Sturmschäden. Für arme Länder soll beispielsweise ein Versicherungssystem gegen Schäden aufgebaut werden.

Transparenz: Alle Staaten sollen Klimaschutzaktivitäten und Daten zu den Treibhausgasen registrieren und offenlegen. Für Entwicklungs- und Schwellenländer wird dieser Punkt aber "flexibel" ausgelegt.

Verbindlichkeit: Das Abkommen ist völkerrechtlich verbindlich. Es gibt jedoch keine Strafen bei Nichterfüllung der Punkte.

(APA/Reuters/dpa)

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