Raumfahrt: Bahnbrechende Landung aus dem All

Sekunden vor der schon jetzt legendären Landung: Die Falcon 9 setzt nach ihrem Flug ins All sicher auf einer Plattform bei Cape Canaveral auf.
Sekunden vor der schon jetzt legendären Landung: Die Falcon 9 setzt nach ihrem Flug ins All sicher auf einer Plattform bei Cape Canaveral auf.(c) APA/AFP/SPACEX
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Erstmals brachte eine Rakete Satelliten ins All und landete wieder – und zwar kerzengerade mithilfe der eigenen Triebwerke. Es ist ein großer Schritt für die Raumfahrt und wird ihre Kosten enorm senken.

Noch in den 1970er- und 1980er-Jahren war es Lesern populärwissenschaftlicher Literatur über Raumfahrt ganz geläufig: Zeichnungen, die die Idee darlegten, eine Rakete nicht nur aufrecht stehend zu starten, sondern auch so wieder zu landen.

Die Vorstellung, die in der Prä-Raumfahrt-Ära wurzelt und von Schriftstellern und Regisseuren übernommen wurde, schien simpel und logisch zu sein, erwies sich aber mit Beginn des Raumfahrtzeitalters als technisch utopisch. Und so werden Raketen, vor allem deren Startstufe mit den starken und teuren Motoren darin, eben seit Jahrzehnten mit ihrem Start auch schon wieder zerstört. Die ausgebrannten Teile krachen zu Boden, fallen ins Meer oder verglühen, Rettung per Fallschirm erwies sich als unpraktikabel und eine vermeintliche Lösung – die flugzeugähnlichen Space Shuttles der Amerikaner – als zu teuer und kompliziert; 2011 wurden sie ausgemustert.

„Der Falke ist gelandet“

Und nun kommt ein 44-jähriger gebürtiger Südafrikaner namens Elon Musk und zeigt der Welt, wie man eine, man muss es so nennen, technische Revolution anzettelt: Seiner in Hawthorne, Kalifornien, angesiedelten Firma SpaceX (gegründet 2002) gelang es in der Nacht auf Dienstag, eine Rakete ins All vorstoßen zu lassen, damit Satelliten in eine Umlaufbahn zu bringen und die kostbare erste Stufe mit ihren neun „Merlin“-Raketenmotoren elegant und lässig, als hätte sie es immer schon getan, auf einer Plattform auf dem Boden zu landen. Sie kann bald wieder benutzt werden.

„Der Falke ist gelandet!“, schrie ein Kommentator im Tumult im Kontrollzentrum in Hawthorne, wo hunderte Mitarbeiter von SpaceX tobten und „USA! USA!“ skandierten. Der „Falke“, das ist jene Falcon 9, mit der aus Utopie Realität wurde. Die 70 Meter hohe Rakete, Gewicht rund 540 Tonnen bei 13 Tonnen Nutzlast, war auf einem Gelände der Luftwaffe bei Cape Canaveral (Florida) gestartet. Zwei Minuten, 25 Sekunden später trennte sich in 74 Kilometern Höhe die erste Stufe von der zweiten, der Nutzlaststufe, mit elf kühlschrankgroßen Kommunikationssatelliten der US-Firma Orbcomm im Inneren. Letztere flog, betrieben von einem einzelnen Merlin, bis in etwa 625 km Höhe, öffnete sich wie eine Blüte und entließ zwischen 15 und 20 Minuten nach dem Start ihre Fracht stückweise in deren Umlaufbahn. All das war live durch Kameras dort oben mitzuverfolgen.

Ein Multi-Unternehmer

Die Startstufe war noch auf etwa 200 km gestiegen und dann zur Erde geflogen, wobei sie sich in der Endphase aufrecht stellte, mit den Düsen bremste und fast genau 9:45 Minuten nach dem Start den historischen Aufsetzer hinlegte. Und das Toben in Hawthorne (und auch anderswo) brach alle Grenzen.

Musk, der unter anderem den Internet-Bezahldienst PayPal und den Elektrowagenbauer Tesla gegründet hat und als nicht ganz einfaches Wunderkind gilt, legte auf die Feststellung Wert, dass es erstmals gelungen sei, eine Startstufe der „Orbital-Klasse“ sicher zu landen. Der Unterschied ist wichtig: Im November hatte das Unternehmen Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos eine Startstufe – New Shepard – aufrecht gelandet und schien die Utopie realisiert zu haben. New Shepard stieg auf 100,5 Kilometer und entließ eine Kapsel, die per Fallschirm herabkam.

100 Kilometer markiert zwar die „Kármán-Linie“, benannt nach dem Altösterreicher bzw. Ungarn Theodore von Kármán (1881–1963), an der man die Grenze zum Weltraum zieht. Also hatte auch diese Rakete das All (eben noch) erreicht. Sie beschrieb aber keinen Orbitalkurs, also einen, der mit dem Aussetzen einer Oberstufe bzw. von Fracht in einer um die Erde führenden Bahn endet. Und sie soll das nie tun, denn Bezos möchte Touristen nur an den Rand des Alls und ohne Umkreisung gleich zurück bringen.

Musk indes will mit der Falcon 9 und künftigen Derivaten einer der größten Fuhrunternehmer im erdnahen Orbit (200 bis 2000 Kilometer) werden, wo die meisten Satelliten sind – und die Internationale Raumstation ISS, zu der SpaceX seit 2012 im Auftrag der Nasa unbemannte Versorgungskapseln Typ Dragon hinaufbringt. Das verlief nicht fehlerlos: Im Juni etwa explodierte eine Falcon mit einer Dragon-Kapsel kurz nach dem Start. Zudem waren heuer zwei Anläufe, die Falcon zu landen (diesfalls auf einer Plattform im Atlantik), gescheitert; die Rakete legte jeweils eine Bruchlandung hin. Aber aller guten Dinge sind offenbar drei.

Billigflug ins Weltall

Geht Musks Plan auf, könnten die Kosten für Satellitenstarts in erdnahe Orbits stark fallen. Das Thema ist schwierig, zuletzt lag der Marktpreis bei europäischen und US-Anbietern angeblich – hier wird viel gemauschelt – bei 10.000 bis 15.000 Dollar pro Kilogramm. Chinesen und Inder bieten massive Abschläge davon, ein Drittel und mehr, Russen ebenso, ja noch mehr. SpaceX kalkuliert jetzt mit 4000 bis 4500 Dollar und will das durch eine vergrößerte Falcon halbieren.

An „Senkrechtlanderaketen“ wie der Falcon wurde, um auf die eingangs erwähnte Literatur zurückzukommen, tatsächlich schon in den 1960ern getüftelt. Ein Pionier war der New Yorker Philip Bono (1921–93), Ingenieur bei Douglas Aircraft. Zu seiner Lebzeit brachte man aber nur Testmodelle, teils in anderen Ländern, zustande, die nur einige hundert oder tausend Meter hoch stiegen. Aus Gründen technischer Komplexität und vielerlei anderen, mithin persönlicher Rivalität, verliefen alle Projekte im Sand.

Kurz nach Bonos Tod wurde mit einem der von ihm konzipierten Systeme, dem Delta Clipper von McDonnell Douglas, einige Jahre experimentiert, man sah in dem pyramidenförmigen Ding mit Düsen an der Unterseite ein interessantes Fahrzeug für militärische Zwecke im All. Es stieg bei zwölf Flügen auf maximal 3140 Meter, aber alles erwies sich als zu komplex, man verlor das Interesse, die Bürokratie der Nasa bremste, und nach einem Unfall 1996 kam das Aus. Viele Mitarbeiter am Clipper wechselten später zu Blue Origin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2015)

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