Köln: Schock über sexuelle Angriffe

Köln: Dutzende Frauen in Silvesternacht sexuell belästigt
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In der Silvesternacht haben in Köln Hunderte Männer Frauen beraubt und belästigt. Das Ausmaß wird erst jetzt bekannt - und befeuert
die Flüchtlingsdiskussion.

Köln. Polizeipräsident Wolfgang Albers spricht von „Straftaten einer völlig neuen Dimension“, Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker nennt die Vorfälle „ungeheuerlich“ und hat für den heutigen Dienstag eine Krisensitzung einberufen: Mit Schock und Entsetzen haben Politiker und Sicherheitskräfte auf das reagiert, was sich in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof und rund um den Dom abgespielt hat. Wo Tausende Menschen ausgelassen feiern und das neue Jahr begrüßen wollten, wurden Dutzende Frauen bedrängt, begrapscht, beraubt. Mindestens ein Opfer wurde vergewaltigt.

Die „völlig neue Dimension“, von der Polizeipräsident Albers spricht, wird schon an der Zahl der mutmaßlichen Täter deutlich: Demnach handelte es sich um eine Gruppe von rund 1000 Männern – stark betrunken, aggressiv und „völlig enthemmt“. Sie sollen „dem Aussehen nach aus dem nordafrikanischen oder arabischen Raum“ stammen und zwischen 15 und 35 Jahre alt sein, erklärte Albers am Montag. Viel mehr ist der Polizei über sie bisher nicht bekannt.

"Massive Sexualdelikte“

Zunächst sollen einige hundert dieser Männer sich auf dem Platz versammelt und Feuerwerkskörper unkontrolliert in die Menge gefeuert haben. Die Polizei fürchtete eine Massenpanik, forderte Verstärkung an und räumte zeitweise den Platz. Dann, nach Mitternacht und mittlerweile um mehrere hundert weitere Männer verstärkt, sollen die Täter in kleineren und größeren Gruppen – die Rede ist von jeweils 20 bis zu 100 Personen – Dutzende Frauen angegriffen haben. Albers sprach von „Sexualdelikten in sehr massiver Form“.Rund 60 Betroffene haben in den vergangenen Tagen Anzeige wegen sexueller Übergriffe und Diebstähle erstattet. Die Polizei geht von einer noch viel höheren Zahl an Opfern aus. „Es ist ein unerträglicher Zustand, dass mitten in der Stadt solche Straftaten begangen werden“, sagte Albers.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zitierte eine Zeugin, der unter ihr Kleid ans Gesäß gegriffen wurde. Ein weiteres Opfer schilderte, ihr seien Rock und Slip zerrissen worden. Laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) soll auch einer Zivilpolizistin in die Hose gefasst worden sein. Allerdings muss sich auch die Polizei unangenehme Fragen gefallen lassen. Angeblich waren alle verfügbaren Einsatzkräfte vor Ort – von den Übergriffen und Diebstählen bekamen die Beamten offenbar nichts mit. „Wir haben erst durch die Anzeigen davon erfahren“, zitierten Medien den Präsidenten der zuständigen Bundespolizeistation, Wolfgang Wurm.

Oberbürgermeisterin Reker will bei einem Krisentreffen am heutigen Dienstag Lehren aus den Vorfällen ziehen und Maßnahmen setzen – auch mit Blick auf den nahenden Karneval. „Wir können nicht tolerieren, dass hier ein rechtsfreier Raum entsteht.“An dem Treffen teilnehmen sollen unter anderem die Kölner Polizei, die Bundespolizei und Stadtdirektor Guido Kahlen.

Eine Frage dabei ist, ob die Video-Überwachung am Hauptbahnhof ausgeweitet wird.
Von Flüchtlingen wollten die Behördenvertreter ausdrücklich nicht sprechen. In deutschen Medien wurde spekuliert, man habe wohl Angst, die Vorfälle könnten Ressentiments befeuern. Aus dem nordrhein-westfälischen Innenministerium soll es geheißen haben, einige Täter seien vor zwei Jahren aus Nordafrika als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. In den sozialen Medien überschlugen sich dann auch die empörten Kommentare über die Flüchtlingspolitik der Regierung Merkel. (red/raa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2016)

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