Dutzende Frauen wurden zu Silvester vor dem Kölner Bahnhof aus größeren Gruppen von Männern heraus attackiert. Für den Bund Deutscher Kriminalbeamter sind solche Übergriffe eine längst bekannte Praktik.
Aus Sicht des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) handelt es sich bei den Übergriffen auf Frauen in Köln um eine längst bekannte Praktik. "Wer von einer neuen Dimension organisierter Kriminalität spricht, der irrt oder es fehlen ihm kriminalistische und kriminologische Erkenntnisse", sagte der Bundesvorsitzende des Berufsverbands, Andre Schulz, dem "Handelsblatt".
In der Silvesternacht waren vor dem Kölner Hauptbahnhof Dutzende Frauen aus größeren Gruppen von Männern heraus attackiert worden. Es soll zu Sexualdelikten und Diebstählen gekommen sein. "Das sogenannte Antanzen durch Täter, die oftmals aus Nordafrika oder dem Balkan stammen, ist der Bandenkriminalität zuzuordnen und kein neues kriminalistisches Phänomen", sagte Schulz.
Ziel der Täter sei es, die Opfer zu überrumpeln, abzulenken und ihnen Wertsachen zu entwenden, sagte Schulz laut "Handelsblatt". "Diese Tätergruppierungen begehen nach unseren Erkenntnissen nicht nur Trick- und Taschendiebstähle, sondern auch Raubdelikte sowie Kfz- und Wohnungseinbrüche." Die Polizei habe dies mehrfach thematisiert. Jetzt nützten "keine vollmundigen Politikerforderungen". Das Problem sei zum größten Teil hausgemacht. Forderungen nach einer angemessenen Personalstärke seien regelmäßig ignoriert worden, kritisierte Schulz.
Merkel: Harte Antwort des Rechtsstaats
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat nach Übergriffen vor dem Kölner Hauptbahnhof eine harte Antwort des Rechtsstaats gefordert. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert vom Dienstag drückte sie in einem Telefonat mit der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker "ihre Empörung über diese widerwärtigen Übergriffe und sexuellen Attacken aus".
Es müsse alles daran gesetzt werden, die Schuldigen so schnell und so vollständig wie möglich zu ermitteln und ohne Ansehen ihrer Herkunft oder ihres Hintergrundes zu bestrafen. Merkel habe sich von Reker über die Ergebnisse des Krisentreffens von Polizei und städtischen Behörden informieren lassen. Auch lasse sich die Kanzlerin vom deutschen Innenminister Thomas de Maiziere über die Ermittlungsarbeiten berichten.
Polizei weist Kritik zurück
Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers sagte in einer Pressekonferenz am Dienstag, er könne noch keine Zahl von Tätern oder Tatverdächtigen nennen. Kritik am Einsatz wies er zurück. Es seien ausreichend Kräfte auf dem Bahnhofsvorplatz gewesen. Die Beamten hätten zwar schon in der Silvesternacht von Übergriffen Kenntnis bekommen. Der volle Umfang - insbesondere der sexuellen Übergriffe - sei allerdings erst am nächsten Tag klar geworden. "Es hat auf der Leitstelle in der Nacht drei konkrete Notrufe zu dem Sachverhalt gegeben." Bisher lägen 90 Strafanzeigen vor. Er rechne damit, dass es mehr werden, sagte Albers.
Der Einsatz habe damit begonnen, dass sich gut 1000 Männer auf dem Vorplatz und den Stiegen zum Kölner Dom aufgehalten und Pyrotechnik gezündet beziehungsweise damit von oben auf Passanten geschossen hätten. Die Polizisten hätten erst ab 1.00 Uhr, als der Platz vor dem Hauptbahnhof längst geräumt gewesen sei, erste Hinweise auf schwere Straftaten erhalten, sagte der Leitende Polizeidirektor Michael Temme. Das gesamte Ausmaß der Übergriffe sei auch zu diesem Zeitpunkt noch unklar gewesen. Albers kritisierte jedoch die erste polizeiliche Einschätzung der Lage am Neujahrstag. "Diese erste Auskunft war falsch." In einer Pressemitteilung hatte die Polizei die Einsatzlage in der Silvesternacht als entspannt beschrieben.
Köln verschärft Sicherheitsvorkehrungen
Als Reaktion auf auf die Vorfälle will die Stadt ihre Sicherheitsvorkehrungen für Großveranstaltungen verschärfen. Der Polizeipräsident der Stadt in Nordrhein-Westfalen (NRW), Wolfgang Albers, kündigte mit Blick auf den Karneval an: "Nun werden wir deutlich die Präsenz erhöhen." Die Polizei werde sowohl uniformierte als auch zivile Kräfte einsetzen und mobile Videoanlagen einrichten. Die Zeit für vorbeugende Maßnahmen und überarbeitete Sicherheitskonzepte drängt. Schon Anfang Februar werden zu Weiberfastnacht und Rosenmontag mehrere hunderttausend Besucher erwartet.
(APA/dpa)