Griechenland: Aus Armut das eigene Kind verkauft

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FRANCE-IMMIGRATION-MINORITIES-HOUSING-POVERTY-COMMUNITIES-ROMAS-(c) APA/AFP/JEFF PACHOUD (JEFF PACHOUD)
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In Griechenland floriert der Adoptionshandel mit Roma-Babys aus Bulgarien.

Sofia. Für den Erwerb eines kleinen Hauses hatte die Bulgarin Stanka ihr neugeborenes Kind einst in Griechenland für 3500 Euro verkauft. Aber die dreifache Mutter in dem Roma-Dorf Ekzarh Antimovo nahe der Hafenstadt Burgas kann nicht aufhören, an ihren verlorenen Sohn zu denken. „Ich bereue das, aber ich war jung und dumm“, berichtet die Roma-Frau in einem nun erschienenen Bericht der Balkan-Nachrichtenagentur BIRN. Mit ihrer Mutter und dem Rest der Familie habe sie zu zehnt in einem Raum ohne Fenster, ohne Elektrizität und Wasser gelebt: „Ich hatte keine Hoffnung – und sah keinerlei anderen Weg, um meine beiden anderen Kinder zu ernähren.“

Akribisch haben die BIRN-Reporter in Bulgarien und Griechenland die Hintergründe des Adoptionsgeschäfts mit Roma-Kindern recherchiert. Ihr schockierender Bericht über Bulgariens boomendes Baby-Business wirft erneut ein Schlaglicht auf den traurigen Handel mit Roma-Babys: Die Armut der Mütter, die fehlenden Kontrollen an den Grenzen, die schwierige Beweislage und die geringen Strafen für gefasste Täter erschweren es der Justiz, den Baby-Händlerringen das Handwerk zu legen.

Buben teurer als Mädchen

Auf mehrere hundert Frauen pro Jahr wird die Zahl der Bulgarinnen geschätzt, die mithilfe von „Vermittlern“ zur Geburt ihrer danach sofort zur Adoption freigegebenen Neugeborenen nach Griechenland reisen. Die Mütter sollen 500 bis 5000 Euro für ihr Kind erhalten, die Adoptiveltern zwischen 3000 und 40.000 Euro dafür bezahlen: Buben seien merklich teurer als Mädchen. Den Großteil der Gelder sacken die Babyhändler ein. Erleichtert werden ihre Geschäfte durch das griechische Adoptionsrecht, das direkte Privatadoptionen erlaubt, deren finanzielle Honorierung allerdings verbietet.

Nach Angaben der bulgarischen Polizei gehen die Anfänge des Babyhandels auf die 1990er-Jahre zurück, als sich nach dem Zusammenbruch des Sozialismus die Grenzen plötzlich geöffnet haben. Eine starke Zunahme des Adoptionsgeschäfts sei seit Bulgariens EU-Beitritt 2007 zu verzeichnen. (tro)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2016)

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