Uganda: Frauenpower unter Mangos

Ein Huhn kann die Basis einer kleinen, eigenen Viehzucht sein: Im Dorf Oryang lernen Frauen, wirtschaftlich unabhängig von Männern zu werden.
Ein Huhn kann die Basis einer kleinen, eigenen Viehzucht sein: Im Dorf Oryang lernen Frauen, wirtschaftlich unabhängig von Männern zu werden. (c) Care
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Im Norden Ugandas sind auch zehn Jahre nach Ende des Bürgerkriegs viele Wunden nicht verheilt. Mit Sonderprojekten sollen besonders Frauen in ihren Rechten gestärkt werden.

Patrick war alles andere als ein guter Ehemann. Er begann sich schon am Vormittag mit Freunden zu treffen, mit ihnen Bier zu trinken, und vernachlässigte immer öfter die Feldarbeit. Und wenn er nach Hause kam – sturzbetrunken – und ihm etwas nicht passte, brüllte er herum und schlug seine Frau, hemmungslos. „Er war so gewalttätig“, erzählt Evelin Adong über die Zeit damals. „Wenn ich etwas verkauft habe, holte er sich das Geld, versoff es – und schlug mich.“ Schließlich wurde von der Dorfleitung Druck auf ihn ausgeübt, etwas zu tun. Er erhielt Hilfe und kam langsam vom Alkohol los. Heute ist Patrick nicht nur clean, sondern auch ein sogenanntes Role Model – ein Rollenvorbild und gleichzeitig Berater für andere Männer.

Wir sitzen in einer kleinen Hütte in einem Dorf in der Nähe der Stadt Gulu in Norduganda. „Ja, ich war ein schlechter Ehemann“, sagt Patrick zerknirscht. An seiner Seite hockt seine Frau Evelin, die ihm vergeben hat. Jetzt hat er eine Aufgabe: Er muss zehn Familien betreuen, Familien von Trinkern. Er spricht mit den Männern und berät die Frauen – oft ist seine eigene dabei, um zu bestätigen, dass eine Lösung möglich ist. Und manchmal muss er auch noch ein bisschen mit den Männern trinken, um besser an sie heranzukommen: „Nur ein bisschen.“

Obwohl per Verfassung die Gleichheit der Geschlechter fixiert ist, herrscht in Uganda in der Praxis noch immer eine sehr traditionelle Einstellung, das heißt, der Mann hat das absolute Sagen. Hier, im Norden des Landes, kommt noch ein zweites Problem dazu: 1986 formierte sich die christliche Rebellenarmee LRA (Lord's Resistance Army) und begann eine Schreckensherrschaft, Kinder wurden entführt und zu Kindersoldaten ausgebildet, Dörfer zerstört, Dorfbewohner getötet. Die Regierungstruppen griffen ein, und es folgte ein zwei Jahrzehnte dauernder Bürgerkrieg. Hunderttausende Menschen mussten aus ihren Dörfern flüchten und jahrelang in Lagern für intern Vertriebene leben. Nach Kriegsende (2006) wurden sie zwar in die Dörfer rückgesiedelt, doch die Wiedereingliederung und der Aufbau der Gesellschaft verlaufen nur schleppend. Und die persönlich erlebte Gewalt kann nur schwer verarbeitet werden.

Besonders betroffen sind die Frauen. Deshalb führt etwa Care Österreich mit lokalen Partnern in dieser Region mehrere auf die Stärkung der Frauenrechte zielende Programme durch, finanziert von der ADA, der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Auch Patricks neue Arbeit ist Teil dieses Woman Empowerment Program: Männer helfen mit, die Frauen zu stärken – so das Motto dieses Projekts. Dass er dabei auch auf große Widerstände stößt, war zu erwarten. „In den Augen vieler Männer bin ich ein schwacher Mann, wenn ich mich für Frauen einsetze.“ Inzwischen läuft das Programm aber recht erfolgreich: Mehr als 300 solcher Role Model Men gibt es bereits rund um Gulu.

Wir fahren weiter in ein anderes Dorf, vorbei an Maisfeldern, üppiger Pflanzenwelt, Bananenstauden und Mangobäumen. Auf der engen Staubstraße kommen die mit Gütern und auch Menschen vollbepackten Lastkraftwagen kaum aneinander vorbei, Fußgänger und Radfahrer werden in den Straßengraben gedrängt, dazwischen springen ein paar Ziegen oder Kühle unmittelbar vor dem Auto über die Straße.

Schließlich landen wir doch im Dorf Paibon, wo unter einem großen Mangobaum mehrere Frauen in traditioneller Kleidung auf uns warten. Sie sind Mitglieder einer Advocacy Group: eines Projekts, mit dem Frauen lernen, im Namen der Dorfgemeinschaft politisch und gesellschaftlich aufzutreten, ähnlich einer Bürgerinitiative. In den Trainings lernen die Mitglieder der Advocacy Group, wie man Probleme definiert, wie man Daten sammelt, wer die Ansprechpersonen sind, an welchen Stellen man Eingaben macht und Lobbying betreibt.

Alice Oloya arbeitet schon einige Zeit in der Gruppe: Freudig zählt sie ein paar Beispiele auf, was sie zuletzt erfolgreich durchgebracht hätten. Etwa, dass in der lokalen Schule mehr Lehrer eingestellt wurden. Oder, dass sie die Lehrer stichprobenartig prüfen, damit diese nicht selbst den Unterricht schwänzen. Die Gruppe hat auch eine Kampagne gemeinsam mit Eltern und Schule gestartet, damit die Kinder regelmäßig in die Schule gehen. Vor allem die Mädchen. Alice: „Das kann an Kleinigkeiten scheitern: Wenn sie zum Beispiel die Menstruation haben, gehen sie oft wegen fehlender Hygieneartikel tagelang nicht zur Schule und schaffen daher Prüfungen nicht.“

Einige Kilometer entfernt liegt das Awach-Gesundheitszentrum. Auch bei diesem Projekt galt es anfangs, gegen althergebrachte Verhaltensweisen anzukämpfen. Denn dass man als Schwangere für Untersuchungen in die Klinik geht und auch hier entbindet, das war nicht so selbstverständlich. „Wir waren immer eine sehr patriarchalische Gesellschaft“, sagt Patrick Kolong, der als Gesundheitsberater arbeitet und damit erste Anlaufstelle in der Klinik ist. „Der Mann entschied über die Zahl der Kinder. Früher waren das 20 und mehr. Und er entschied, ob sie zu Hause geboren werden und ob man zum Arzt geht oder nicht.“

Mittlerweile haben sich die positiven Aspekte der Gesundheitsservices herumgesprochen, und es kommen immer mehr Menschen in die Klinik. Patrick klärt sie über die Möglichkeiten zur Geburtenkontrolle auf, über Verhütungsmöglichkeiten, Familienplanung und die Notwendigkeit von HIV-Tests. Kamen anfangs meist Frauen allein, so gehen inzwischen auch Männer mit und lassen sich informieren. Ein kleiner, aber wichtiger Schritt

Hinweis
Einen Teil der Kosten der Uganda-Reise trägt Care Österreich.

FAKTEN

Politik. Am 18. Februar finden Präsidentenwahlen statt. Amtsinhaber Yoweri Museveni ist seit 1986 im Amt; er tritt nochmals an. Seine Gegner sind Amama Mbabazi und Kizza Besigye. Beide waren früher auf Museveni-Seite.

Bürgerkrieg. Im Norden Ugandas formierte sich 1986 die christliche Rebellengruppe Lord's Resistance Army (LRA) und terrorisierte 20 Jahre lang die Region. Erst 2006 gelang es der Regierung, einen Friedensvertrag durchzusetzen. LRA-Führer Joseph Kony lebt heute in der Zentralafrikanischen Republik.

Hilfsprojekte. Finanziert aus Geldern der Entwicklungshilfezusammenarbeit führt Care Österreich in Norduganda mehrere Projekte speziell zur Förderung von Frauenrechten durch („Frauenermächtigung“): Unter anderem sind dies Kleinspargruppen zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen oder Training für Frauen, um ihre Anliegen besser durchzusetzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2016)

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