Deutschland: Der Karneval zeigt Schattenseiten

Carnival musicians arrive for Rose Monday parade in Cologne
Carnival musicians arrive for Rose Monday parade in Cologne(c) REUTERS (WOLFGANG RATTAY)
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Deutschland. In vielen deutschen Städten wurde der Rosenmontagsumzug wegen des Wetters abgesagt. Bei einigen Umzügen gab es zweifelhafte Wagen und Kostümierungen gegen Flüchtlinge.

Berlin. Nicht auch noch eine Sturmwarnung. Und das am wichtigsten Tag des Karnevals, dem Rosenmontag mit den traditionellen Umzügen. Doch während man in Mainz oder Düsseldorf schließlich vor dem Wetter kapitulierte und die Umzüge aus Sicherheitsgründen absagte, hielt Köln an der alten Tradition fest. Mit Einschränkungen zwar, etwa ohne Pferde, Fahnen und Trageschilder, doch die Karnevalsgruppen begannen trotz allem am Vormittag ihren Zug durch die Stadt.

Fast wirkte es, als stecke ein „Jetzt erst recht“ dahinter. Denn vor den Augen der Öffentlichkeit war der heurige Kölner Karneval eine Art Bewährungsprobe. Nach den Vorfällen in der Silvesternacht, als massenhaft Frauen angegriffen und sexuell belästigt wurden, wollte man zeigen, dass die Stadt auch bei großen Ereignissen sicher sei – und nach wie vor die weltoffene, tolerante Stadt, als die sie sich gern zeigt. Natürlich, das Wetter hat damit nichts zu tun, aber die Bilder von fröhlichen Jecken, die quer durch die Stadt ziehen, sind in der Außenwahrnehmung doch etwas wert. Und tatsächlich konnte der WDR live vor allem schöne Bilder senden – zwar waren viele Teilnehmer in Pelerinen gehüllt, doch zeitweise kam sogar die Sonne heraus. Erst am Nachmittag wurde es deutlich stürmischer.

Und doch, es war anders als sonst. Es waren weniger Leute unterwegs. Und die Veranstalter des Zuges zeigten sich auch nachdenklich: Auf einem der traditionellen Umzugswagen saß Mutter Colonia mit Tränen in den Augen – vor ihr eine zerbrochene rosarote Brille. Ein Eingeständnis, dass eben nicht alles wunderbar ist in der Stadt. Daneben blieb aber dennoch Platz für Politisches. Etwa ein Wagen, auf dem Kanzlerin Angela Merkel mit der typischen Rauten-Handhaltung steht – dahinter sitzt der griechische Ministerpräsident, Alexis Tsipras, als Zeus, der sie mit einem Blitz vor sich hertreibt. Über allem der Spruch: Raus aus der Drachme.

Auf einem Wagen mit der Aufschrift „Merkelancholia“ saß eine nachdenkliche Kanzlerin mit einer EU-Flagge, auf der nur noch ein Stern zu sehen war, vor den Trümmern des Kontinents. Und unterwegs war auch ein Wagen, auf dem Merkel als Nussknacker zu sehen war – mit harten Nüssen, die sie zu knacken hat, auf denen unter anderem „Flüchtlinge“ zu lesen ist. Dahinter steht: „Wir schaffen das“ – allein, auf diesem Wagen hat die Merkelpuppe schon zwei Zähne eingebüßt. Es hat Tradition, dass zu Karneval Kritik geübt wird, dass politische Entwicklungen scherzhaft dargestellt werden. Ein Karnevalswagen ist dann so etwas wie eine Karikatur auf Rädern.

Verdacht auf Volksverhetzung

Doch was in den großen Hochburgen des Karnevals auf einem gewissen Niveau passiert, kann bei manchen Umzügen in kleineren Gemeinden auch danebengehen. Dort gibt es in der Regel keine Kommission, die die Wagen vorher abnimmt. Für besonders große Aufregung sorgte schon am Sonntag ein Wagen des Oberilmtaler Carnevalsvereins Steinkirchen in Bayern: ein Panzer mit schwarzem Kreuz und der Aufschrift „Ilmtaler Asylabwehr“ und „Asylpaket III“. Was erst zu Aufregung auf Facebook und Twitter, später zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Ingolstadt wegen des Verdachts der Volksverhetzung führte. Der Verein entschuldigte sich am Montag, es sei eine Unachtsamkeit gewesen. Und man wolle keinesfalls in eine ausländerfeindliche Ecke gestellt werden – es seien ja sogar Flüchtlinge bei dem Umzug mitgegangen.

Ebenfalls tätig wird die Staatsanwaltschaft Meiningen in Thüringen. Bei einem Umzug in der Stadt Wasungen war ein Zug mit der Aufschrift „Balkan-Express“ unterwegs – mit dem Slogan „Die Plage kommt“ darauf. Und um den Wagen liefen als Heuschrecken verkleidete Karnevalsteilnehmer. In einem Beitrag im MDR sagte ein Beteiligter, dass es zu viel gesagt wäre, dass man Flüchtlinge für Heuschrecken halte. Aber das gehöre einfach zum Karneval, sagte ein anderer. Geprüft wird nun, ob mit dem Wagen die Grenze der Schmähkritik überschritten wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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