Bayern: "Ein Zug hat sich in den anderen gebohrt"

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Zwei Personenzüge sind in der Nähe von Bad Aibling frontal anscheinend ungebremst zusammengestoßen. Zehn Menschen kamen ums Leben, 100 wurden verletzt.

In der Nähe von Bad Aibling in Oberbayern hat sich Dienstagfrüh ein schweres Zugunglück ereignet. Nach jüngsten Polizeiangaben vom Dienstagabend gibt es zehn Tote. Eine Person verstarb im Laufe des Nachmittags im Krankenhaus. Eine Person werde weiterhin vermisst. 18 Menschen wurden schwer und 63 leicht verletzt.

Die beiden Züge stießen nach Angaben der Deutschen Bahn auf einer eingleisigen Strecke zusammen. Dabei verkeilten sich die Triebwagen. Ein Zug entgleiste, mehrere Waggons stürzten um. "Es ist ein erschreckendes Bild, der eine Zug hat sich in den anderen förmlich hineingebohrt", erklärte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) soeben in einer Pressekonferenz. Die Züge müssen mit sehr hoher Geschwindigkeit aufeinander geprallt sein, so Dobrindt. Noch stehe die Ursache nicht fest.

Das Unglück ereignete sich um 6.48 Uhr. Noch Stunden später wurden eingeklemmte Personen von der Feuerwehr aus den Waggons geschnitten. Insgesamt rund 150 Fahrgäste hatten sich in den beiden Zügen befunden. Wegen des Faschingsdienstages seien deutlich weniger Menschen zwischen Holzkirchen und Rosenheim unterwegs gewesen als sonst an Werktagen üblich, hieß es. Die Strecke werde vor allem von Pendlern stark frequentiert.

Hubschrauber brachten die Schwerverletzten in Krankenhäuser, während die zahlreichen Leichtverletzten zunächst in einer Sammelstelle versorgt wurden. Dabei half auch die Wasserwacht, welche die Verletzten von der direkt an dem Flüsschen Mangfall gelegenen Unfallstelle an das gegenüberliegende Ufer transportierte.

Zum Teil wurden die Opfer auch in Bergungssäcken von den Hubschraubern hochgezogen und an das andere Ufer geflogen. Die Unfallstelle ist sehr schwer zugänglich und liegt an einer Hangkante, die zur Mangfall abfällt. Auch Züge haben wie Flugzeuge eine Blackbox an Bord. Zwei von drei sind bereits gefunden. Die Ermittler erhoffen von der Auswertung der Daten, die Unglücksursache bestimmen zu können.

Österreichische Einsatzkräfte vor Ort

Insgesamt standen rund 500 Rettungskräfte der verschiedensten Einsatzorganisationen an der Unfallstelle in dem nur schwer zugänglichen Gelände im Einsatz, darunter auch Helfer des Roten Kreuzes aus Tirol. 15 Hubschrauber waren vor Ort, drei davon vom ÖAMTC. Innenminister Herrmann bedankte sich ausdrücklich bei den Rettungskräften aus dem Nachbarland für deren Hilfe.

Ein Mitarbeiter des österreichischen Generalkonsulats in München begab sich laut einem Sprecher des Außenministeriums in Wien an den Unglücksort. Informationen über Österreicher unter Passagieren der Unglückszüge lagen aber bis gegen Mittag nicht vor.

Zugunfall in Oberbayern
Zugunfall in OberbayernAPA/dpa/Sven Hoppe

"Der Unfall ist ein Riesenschock für uns", sagte der Geschäftsführer der Bayerischen Oberlandbahn (BOB), Bernd Rosenbusch. "Wir tun alles, um den Reisenden, Angehörigen und Mitarbeitern zu helfen."

Die Züge waren in einer Kurve zwischen den Bahnhöfen Kolbermoor und Bad Aibling-Kurpark in der Nähe des Klärwerks von Bad Aibling zusammengestoßen. Es sei davon auszugehen, dass die beiden Lokführer keinen Sichtkontakt hatten und die Züge "ungebremst mit hoher Geschwindigkeit" gegeneinanderkrachten, erklärte Dobrindt. Prinzipiell dürfen die Züge an der Stelle bis 120 Stundenkilometer fahren, wie die Deutsche Bahn erläuterte.

Einen Einblick, welch dramatische Bilder sich den Rettungskräften vor Ort boten, gab ein Notarzt. Bei dem Zugsunglück seien "enorme Kräfte" frei geworden, die Schwerverletzte seien zum Teil über Stunden eingeklemmt gewesen. "Mit solchen Verletzungen ist man auch als langjähriger Notarzt eher selten konfrontiert", schilderte er.

Die Strecke zwischen Holzkirschen und Rosenheim bleibt vorerst gesperrt. Die Bergung der Trümmer wird wohl mehrere Tage dauern, da die Stelle so schwer zugänglich ist. Für Reisende gibt es unterdessen einen Ersatzverkehr mit Bussen.

Die bayerische Regierungspartei CSU sagte wegen des Unglücks den traditionellen Politischen Aschermittwoch ab, "aus Respekt vor den Opfern des tragischen Zugunglücks", wie CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer in der Parteizeitung "Bayernkurier" zitiert wird. Auch SPD, Grüne und Linke sagten wenig später ihre Veranstaltungen ab.

Größter privater Nahverkehrsanbieter

Die verunglückten Züge werden von der Bayerischen Oberlandbahn GmbH unter der Marke Meridian betrieben. Die Bayerische Oberlandbahn gehört zum französischen Eisenbahnunternehmen Transdev. Die Transdev GmbH in Deutschland mit mehr als 5000 Mitarbeitern und einem Umsatz von knapp 850 Millionen Euro bezeichnet sich als größter privater Nahverkehrsanbieter im lokalen Bahn- und Busbereich in Deutschland. Der Mutterkonzern Transdev ist mit 83.000 Mitarbeitern in 20 Ländern tätig.

Die Strecke Holzkirchen-Rosenheim (Manfalltal-Bahn) gehört zur Deutschen Bahn, die auch das Stellwerk in Bad Aibling betreibt. An der Strecke gibt es eine sogenannte punktförmige Zugbeeinflussung (PZB), die einen Zug automatisch abbremst, wenn ein rotes Signal überfahren wird.

Auswirkungen auf Flüchtlingssituation

Das Zugunglück hat sich auch auf die Flüchtlingssituation in Kufstein ausgewirkt. "Aufgrund der Vorkommnisse kann die Weiterreise von 750 Flüchtlingen nach Deutschland nicht wie geplant stattfinden", hieß es in einer Aussendung des Landes Tirol. Um "einen Rückstau und eine Überbelegung der Flüchtlingsunterkunft in Kufstein zu vermeiden und die Versorgung zu gewährleisten", sollten am Dienstag keine weiteren Flüchtlinge nach Kufstein gebracht werden. 

Zugsunglueck in Oberbayern
Zugsunglueck in OberbayernAPA

(APA/Red.)

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