Historischer Bruderkuss auf Kuba

Tourists pass by a poster with a photograph of Pope Francis with the message in Spanish that reads ´Welcome to Cuba´ in Havana
Tourists pass by a poster with a photograph of Pope Francis with the message in Spanish that reads ´Welcome to Cuba´ in Havana(c) REUTERS (ALEXANDRE MENEGHINI)
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Erstmals seit mehr als 1000 Jahren kommen die Oberhäupter der katholischen und der russisch-orthodoxen Kirche zusammen. Raúl Castro bezeugt Treffen zwischen Franziskus und Kyrill.

Wien/Havanna. Der José-Martí-Flughafen, ein Betonklotz in der subtropischen Pampa im Süden der kubanischen Hauptstadt Havanna, hat schon denkwürdige Begegnungen und Bruderküsse erlebt. Die Castro-Brüder Fidel und Raúl empfingen hier kommunistische Führer à la Breschnjew und Honecker, aber auch die Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus.

Für zumindest drei Stunden wird der Airport heute indessen Schauplatz eines Treffens der Weltgeschichte sein, wenn Franziskus und der russische Patriarch Kyrill nach dem Schisma, der Kirchenspaltung vor mehr als 1000 Jahren, auf neutralem – ironischerweise kommunistischem – Boden zum ersten Mal zusammenkommen und einen Bruderkuss austauschen werden. Eine Einladung in den Vatikan hat das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche stets ausgeschlagen, und eine Papstvisite in Moskau (ein Traum Johannes Pauls II.) ist auch noch nie zustande gekommen. Pläne für ein Treffen in Wien oder in Ungarn haben sich ebenfalls zerschlagen.

Zwei Brüder im Geiste

Franziskus nutzt seine sechstägige Mexiko-Reise nun zu einem Zwischenstopp auf Kuba – ein Terrain, das ihm schon vertraut ist. Im September hatte er der Karibikinsel auf dem Weg zu einem USA-Besuch und einer Rede vor der UNO eine viertägige Visite abgestattet. Wenige Monate zuvor hatte er Raúl Castro, den kubanischen Präsidenten, zu einer Audienz im Vatikan empfangen. Castro bedankte sich bei der Gelegenheit persönlich für die Vermittlerrolle des Papstes und des Vatikans bei der Geheimdiplomatie zwischen den USA und Kuba, den Erzfeinden des Kalten Kriegs.

In mancherlei Hinsicht fanden sich zwei Brüder im Geiste: der Jesuitenpater aus Argentinien, ein Prediger gegen Ungerechtigkeit und Ungleichheit, und der katholisch erzogene Patron der Arbeiter- und Bauernklasse aus Kuba, der im Vatikan schwor, aus Verehrung für Franziskus womöglich wieder zum Glauben zurückzufinden. Fidel Castro ging einst überhaupt auf eine Jesuitenschule. Die katholische Kirche genießt in Kuba einen gewissen Freiraum, obwohl die Frauen-Initiative Damas de blanco unter Verfolgung leidet.

Bereitwillig übernahm Raúl Castro die Gastgeberrolle für das Treffen der Führer der römisch-katholischen und der russisch-orthodoxen Kirche. Der 84-Jährige wird quasi der Dritte im Bund sein, der Zeuge einer Wiederannäherung nach einer Spaltung, die ihre Wurzeln im antiken Rom und der Teilung in ein West- und Oströmisches Reich unter Kaiser Konstantin hat. 1054 kam es zum Bruch zwischen dem Papst und dem Patriarchen von Konstantinopel, den Franziskus im Übrigen bereits zwei Mal getroffen hat. Unter den orthodoxen Kirchen ist die russische die bedeutendste.

Überglücklich sei der Papst über die Zusammenkunft nach zweijährigen Geheimverhandlungen, kolportierte die Zeitung „Corriere della Sera“. „Man muss Schritt für Schritt Brücken bauen, bis man denjenigen die Hand schütteln kann, die auf der anderen Seite stehen. Brücken halten und helfen dem Frieden, Mauern nicht“, lautet das Credo des Papstes. Im Vordergrund des Gesprächs stehen Themen wie die Christenverfolgung und die Rolle des Islam, auf eine gemeinsame Erklärung haben sich beide Seiten bereits verständigt.

In den bald drei Jahren seiner Amtszeit hat Franziskus politische Akzente gesetzt, unter anderem mit seiner Enzyklika „Laudato si'“ für den Umweltschutz. Kyrill gilt wiederum als enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2016)

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