Raumfahrt: Amerika hat einen neuen Helden

Müde Krieger aus dem All: Kornijenko, Wolkow und Kelly (v. l.) in Kasachstan.
Müde Krieger aus dem All: Kornijenko, Wolkow und Kelly (v. l.) in Kasachstan.(c) APA/AFP/NASA/BILL INGALLS
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US-Astronaut Scott Kelly kehrte am Mittwoch nach 340 Tagen im All zur Erde zurück und stellte damit einen US-Rekord auf. Die Mission sollte Erfahrungen für Flüge zum Mars bringen.

Astana/Moskau/Washington. Erst in der Vorwoche hat „Die Presse“ im Gespräch mit dem in der Nasa für bemannte Raumfahrt zuständigen Administrator, William Gerstenmaier, darüber geredet, wie die internationale Raumstation ISS für Astronauten als Übungsort für Flüge zum Mars in den 2030er-Jahren dient. Und nun kam am Mittwoch einer der Nasa-Übungsteilnehmer von dort zur Erde retour, nach satten 340 Tagen auf der ISS, womit er gleichzeitig zum Amerikaner mit der längsten Verweildauer außerhalb der Erde geworden ist.

Scott Kelly, ein stämmiger, 52-jähriger Glatzkopf aus dem Staat New Jersey, landete an Bord einer Sojuskapsel in der Steppe von Kasachstan. Er war nicht allein, seine russischen Kollegen Michail Kornijenko und Sergei Wolkow haben ihn begleitet, auch Kornijenko war 340 Tage auf der ISS. Die Jahresmission galt als Übung für einen Marsflug, und dass dabei Kelly und weniger Kornijenko ins Zentrum des Interesses rückte, mag unfair sein, drückt aber eine simple Realität aus: Die Russen haben weit mehr Erfahrung im All, wo längere Aufenthalte wegen allerhand körperlicher Folgen und Gesundheitsprobleme etwa durch Strahlung, Knochen- und Muskelabbau alles andere als erholsame Urlaube sind.

So sind etwa von den zwölf Raumfahrern mit den längsten Raumflügen am Stück elf Russen bzw. ehemalige UdSSR-Bürger. Rekordhalter ist Waleri Poljakow (73), der 1994/95 für 437 Tage an Bord der heute nicht mehr existenten Raumstation Mir lebte. Mit 340 Tagen kommt Kelly (und Kornijenko) „nur“ auf Platz fünf.

Russische Herren im All

Der bisherige US-Rekordhalter im All, Michael López-Alegría (57, ein gebürtiger Spanier), brachte es 2006/07 auf 215 Tage. Die Italienerin Samantha Cristoforetti (38), eine ESA-Raumfahrerin, hält mit 199 Tagen 2014/15 auf der ISS den weiblichen Rekord.
Auch bei zusammengezählten Allmissionen sind Russen bzw. Sowjets die „Masters of the Universe“, sie stellen hier die gesamte Top 10. Ihr Spitzenmann, Gennadi Padalka (57), war während fünf Aufenthalten 1998 bis 2015 gesamt 878 Tage im All, rund zweieinhalb Jahre. Erst auf Platz 17 kommt ein Nasa-Astronaut, und zwar wieder Scott Kelly – mit nunmehr 540 Tagen Gesamtdauer im All seit 1999.

„Die frische Luft fühlt sich herrlich an“, sagte Kelly nach dem Ausstieg aus der Kapsel. Er und sein russischer Kollege waren nach so langer Zeit in Schwerelosigkeit geschwächt und wurden zu Klappstühlen, dann zu den Autos getragen. Ursprünglich hätten sie selbst aus der Sojus klettern sollen – auch bei einem Flug zum Mars, der mindestens sechs Monate in einer Richtung dauert, müssten sie das ja tun. Indes, sie erwiesen sich als zu schwach und man musste ihnen unter die Arme greifen.

Kelly (er ist geschieden und hat zwei Töchter) sollte noch am Mittwoch in die USA fliegen und sagte, er freue sich vor allem auf einen Sprung in seinen Pool. Das kühle Nass wird erfrischender sein als vieles von dem, das er auf der ISS getrunken hat: Neue Wasseraufbereitungsanlagen dort können nämlich aus Urin und zu Luftfeuchtigkeit verdunstetem Schweiß Trinkwasser machen, Daten der Nasa zufolge müsste Kelly mindestens 700 Liter davon getrunken haben.

Der Affe im All

Kelly, der jüngst als Showeinlage mit einem Affenkostüm verkleidet in der ISS herumgesaust war, hat übrigens einen Zwillingsbruder, Mark, der Astronaut war. Bei den ärztlichen Untersuchungen wird man nun die Brüder vergleichen und hofft, dadurch Erkenntnisse gewinnen zu können.

Auf der ISS in rund 400 Kilometern Höhe sind nun die Raumfahrer Juri Malentschenko (Russland), Timothy Kopra (USA) und Tim Peake (Großbritannien). Ende März sollen zwei Russen und ein Amerikaner dazustoßen. Russland ist seit der Ausmusterung der Space Shuttles der Nasa 2011 vorerst das einzige Land, das bemannte Flüge zur ISS organisiert. (wg/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2016)

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