Genozid-Gedenken mit George Clooney in Jerewan

George Clooney mit dem armenischen Präsidenten, Sersch Sargsjan
George Clooney mit dem armenischen Präsidenten, Sersch SargsjanREUTERS
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Ein mit mehr als einer Million Dollar dotierter Preis zeichnet Wohltäter aus aller Welt aus. Eine Aktivistin aus Burundi ist die Gewinnerin.

Jerewan. So viele Blumen wie an diesem Tag werden in Jerewan an sonst keinem verkauft: Nelken, Rosen, Flieder. Denn die Südkaukasusrepublik Armenien gedachte so wie jedes Jahr des Völkermordes, der zur Zeit des osmanischen Reiches bis zu 1,5 Millionen Opfer forderte. Tausende Bürger strömten zu Fuß zur Gedenkstätte Zizernakaberd auf einen Hügel oberhalb des Zentrums. Am ewigen Feuer der Gedenkstätte legten sie die Blumen nieder, um ihrer Ahnen zu gedenken. Bald stapelten sich die Schnittblumen zu einer bunten Mauer. Angesichts des kürzlich wieder aufgeflammten Konflikts zwischen Aserbaidschan und der abtrünnigen und von Armeniern kontrollierten Region Berg-Karabach hatte das Gedenken am 24. April auch einen aktuellen politischen Bezug.

Armenien, das auf internationaler Bühne für die Anerkennung des Genozids kämpft, hat auch 25 Jahre nach seiner Unabhängigkeit noch immer ein angespanntes Verhältnis zu seinen beiden mehrheitlich muslimischen Nachbarn, Türkei und Aserbaidschan. Die Grenzen sind geschlossen, und der Aussöhnungsprozess stockt angesichts der aktuellen Spannungen.

„Das Richtige tun“

Zugleich ging in Jerewan ein Großereignis über die Bühne, das über das Erinnern an den Völkermord hinausging – und dessen Initiatoren zu internationaler Verständigung aufriefen. Der Aurora-Preis unter dem Motto „Awakening Humanity“ wurde am Sonntag zum ersten Mal an herausragende Wohltäter verliehen, die „das Richtige tun“, wie es Hollywood-Star George Clooney salopp formulierte, der den Preis überreichte.

Clooney hatte während seines dreitägigen Aufenthalts Jerewan in Aufregung versetzt. Wo auch immer er hinkam, stürzten sich die Fans auf ihn, um ein Selfie „mit George“ zu ergattern: der Star als Hintergrundobjekt. Dezent im Hintergrund hielt sich Clooney auch während der Gala, als er Gewinnerin Marguerite Barankitse aus Burundi auszeichnete. Sie hat nach dem Völkermord zwischen Tutsi und Hutu Tausende von Waisenkindern verschiedener Ethnien in ihrem Maison Shalom aufgezogen und in einem Krankenhaus mehr als 80.000 Patienten betreut. Sie habe vom Genozid an den Armeniern in der Schule gehört. „Niemals aufgeben“, sei für sie die Lehre aus dem armenischen Beispiel.

Die 60-jährige Helferin erhält jährlich eine Summe von 100.000 Dollar und durfte zusätzlich Initiativen nominieren, an die die unglaubliche Summe von einer Million Dollar ausgezahlt wird. „Die Erinnerung ist nicht genug, wir müssen gute Taten setzen“, mahnte Vartan Gregorian, Präsident der Carnegie-Stiftung in New York und einer der drei Preisgründer, und erinnerte an die 500.000 Armenier, die dank couragierter Mitmenschen vor dem Tod gerettet wurden. Eine pompöse Gala begleitete die Auszeichnung – ein Novum für Jerewan, doch hatten die Gründer, wie viele andere Armenier Nachkommen von Genozid-Überlebenden, die Verleihung speziell in der armenischen Hauptstadt austragen wollen. Nominierungen aus aller Welt werden entgegengenommen. Auch ein Kandidat aus der Türkei könne im nächsten Jahr gewinnen, hieß es. Gute Taten unabhängig von ethnischer Herkunft und Religion auszuzeichnen ist in einer Region mit ungelösten Konflikten ein nicht alltägliches Signal.

Bei der Veranstaltung war die Prominentendichte hoch: professionelle Wohltäter, Professoren und Talking Heads waren nach Jerewan gekommen. Neben Clooney waren etwa Hina Jilani und Shirin Ebadi zugegen. Der Schauspieler, der selbst die NGO Not on Our Watch betreibt, legte gemeinsam mit dem armenischen Präsidenten, Sersch Sargsjan, in Zizernakaberd Blumen nieder. „Die ganze Welt“ erinnere sich heute an den Völkermord, sagte Clooney.
Die Reise wurde von der Initiative 100 Lives finanziell unterstützt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2016)

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