Die zweite große Liebe des Ex-Senators

Ein halbes Leben war Harris Wofford mit seiner Frau verheiratet. Mit 90 geht er die Ehe mit einem Mann ein.

Wien/Washington. 50 Jahre liegen zwischen dem Paar, das am Samstag in seinem Apartment im Washingtoner Diplomatenviertel Foggy Bottom den Bund der Ehe schließen wird. Der eine Bräutigam ist 90, der andere 40 – und dies ist noch nicht das Ungewöhnlichste an der Beziehung zwischen Harris Wofford und Matthew Charlton.

Denn Wofford, demokratischer Ex-Senator aus Pennsylvania, in den 1990er-Jahren und in den 1960er-Jahren ein Mitstreiter John F. Kennedys und Martin Luther Kings, war in seinem „ersten Leben“ 48 Jahre mit Clare Lindgren verheiratet. Es war die eine Liebe seines Lebens, wie Wofford neulich in einem Text, einem aufsehenerregenden Coming-out, für die „New York Times“ schrieb. Aus dieser Ehe entsprangen drei Kinder, und die älteste Tochter, Susanne – eine Shakespeare-Expertin und Dekanin an der New York University –, wird die Zeremonie am Wochenende leiten.

Am Strand in Florida

Drei Jahre hat Wofford zugewartet, ehe er seinen Kindern „beichtete“, dass er einen Mann liebt. Vor 20 Jahren war Clare an akuter Leukämie gestorben, wenige Stunden nachdem US-Präsident Bill Clinton sie am Totenbett angerufen hatte. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war das junge Ehepaar vom Impetus beseelt, die Welt zu retten, wie Wofford es formuliert. Sie reisten nach Indien, um das Lebenswerk Mahatma Gandhis zu studieren. Als erster weißer Student hat sich Wofford danach an der von Afroamerikanern gegründeten Howard-Universität in Washington eingeschrieben, 1961 rief er mit dem Kennedy-Clan das Peace Corps ins Leben.

Vor 15 Jahren lernte der Witwer am Strand von Fort Lauderdale im Süden Floridas – einem Rentnerparadies – schließlich Matthew Charlton kennen, einen Innenarchitekten. Aus Freundschaft wurde Liebe, als bei Reisen der Funke übersprang. In eine Schablone will sich Harris Wofford indessen nicht pressen lassen. „Ich bin froh, ein zweites Mal das Glück gefunden zu haben.“ Die Option für die gleichgeschlechtliche Ehe, die der Oberste Gerichtshof und immer mehr US-Bundesstaaten eröffnen, ergriff jetzt auch der Ex-Senator. (vier) [ imago ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2016)

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