Großrazzia gegen Gangs in der Bronx

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160421 NEW YORK April 21 2016 NYPD police officers and Secret Service agents stand guard o(c) imago/Xinhua (imago stock&people)
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Die Polizei führte den angeblich größten Schlag gegen die organisierte Kriminalität in der Geschichte der Stadt New York aus. Der Bezirk galt einst als verschrien.

Wien/New York. Der dumpfe Knall von Pistolenschüssen gehört seit Jahren zur Begleitmusik des Alltags in Eastchester Gardens, einem Sozialbau-Komplex in der Bronx, dem nördlichsten und berüchtigtsten New Yorker Bezirk, wohin sich kaum Touristen verlieren. Vor den Grundschulen handeln Gangs mit Drogen, und es ist ein offenes Geheimnis, dass sie Spielplätze als Waffenverstecke nutzen.

Neulich, so erzählte es Eukeysha Gregory der „New York Times“, seien zwei Kugeln durchs Fenster ihres Nachbarn geflogen. Der Tod einer 92-Jährigen, die an den Folgen eines Querschlägers in den eigenen vier Wänden gestorben war, hatte bereits vor sieben Jahren den Unmut der Bewohner hervorgerufen. „Wer zur falschen Zeit am falschen Ort war, konnte angeschossen, erstochen oder getötet werden“, lautete das ernüchternde Fazit des zuständigen Staatsanwalts, Preet Bharara.

Die Stunde der Vergeltung kam Mittwochfrüh, noch vor dem Morgengrauen, in Form einer Großrazzia, an der 700 Polizisten beteiligt waren – der größten Aktion gegen die Bandenkriminalität in der Geschichte New Yorks. Polizeihubschrauber knatterten am Nachthimmel, Spezialeinheiten der New Yorker Polizei stießen – teils mit Rammbock – die Wohnungstüren der Delinquenten auf und führten einen nach dem anderen mit Handschellen und Fußfesseln ab. 90 von ihnen blieben sogleich in Polizeigewahrsam. „Ich bin so froh, dass ich dem Captain die Füße küssen könnte“, sagte Eukeysha Gregory.

Prahlen in den sozialen Medien

Unter den Festgenommenen waren in überwiegender Zahl Afroamerikaner, sie trugen T-Shirts, Kapuzenpullis und schillernde Namen nach dem Vorbild von Modezaren – Burberry, Gucci oder Ferragamo –, die ihren Rang in der Hierarchie festlegten. Allesamt zählen sie zur „Big Money Bosses“-Gang, die seit zehn Jahren in einen Bandenkrieg mit ihren Rivalen, den „2Fly YGz“, verwickelt war. Auch sie hatten sich in Mafia-Manier Spitznamen à la „Money Making Kenny“, „Broadway“, „Mark, the gritty Shark“, „Mad Dog“ oder „K-Murda“ zugelegt.

Mord, Drogenhandel, Diebstahl, Betrug und Erpressung führen das Verbrechensregister an. Die Polizei hat die Haftbefehle auch aufgrund von Einträgen der Verdächtigen in sozialen Medien wie Facebook, Twitter oder Instagram erstellt. In Sozialnetzwerken und auf YouTube-Videos haben sich die Gang-Mitglieder ihrer „Ruhmestaten“ gebrüstet, um ihr Ansehen innerhalb der Gang und deren Ruhm zu mehren, wie Chefermittler Preet Bharara erläuterte. Seit eineinhalb Jahren hatte die Polizei die Gangs im Visier.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die Bronx als Wohnviertel für jüdische Einwanderer aus Osteuropa, für italienische und irische Immigranten einen guten Ruf. Aus dem Viertel stammen Musiker wie Yehudi Menuhin oder Billy Joel, Autoren wie Neil Simon, Modeschöpfer wie Calvin Klein und Ralph Lauren, Schauspieler wie Al Pacino, James Caan, Tony Curtis oder Denzel Washington, Regisseure wie Stanley Kubrick, Generäle wie Colin Powell – und nicht zuletzt auch mehrere legendäre New Yorker Bürgermeister.

Ruf aus dem Ghetto: „Die Bronx brennt“

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs verwandelte sich die Bronx indes zunehmend in ein Ghetto für Afroamerikaner und Hispanics, und vor allem die South Bronx – von Manhattan nur durch den schmalen Harlem River getrennt – war in den 1970er-Jahren wegen der Drogen- und Bandenkriminalität verschrien. „Meine Damen und Herren, die Bronx brennt“, fasste ein Sportreporter während eines Spiels im Yankee-Stadion die Stimmung zusammen, als Gebäude reihenweise in Flammen aufgingen. Ganze Straßenzüge waren dem Ruin preisgegeben, der Bezirk galt am Ende der 1970er als Synonym für den Verfall des bankrotten New York.

Seit zwei Jahrzehnten ist allerdings eine Revitalisierung im Gange, die Kriminalität ist signifikant gesunken, Hip-Hop hat hier seinen Ausgang genommen. Seit dem Neubau des Yankee-Stadions, Heimstatt des berühmten Baseball-Teams, zieht es auch weiße Familien in die Gegend. Dass die Bronx aber immer noch ein raues Pflaster ist, bekam unlängst Ted Cruz zu spüren, als Latinos den ultrarechten Präsidentschaftskandidaten de facto aus ihrer „Hood“, ihrem Viertel, verjagten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2016)

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