Südafrika: Am Kap der verlorenen Hoffnung

(c) Reuters (Siphiwe Sibeko)
  • Drucken

Slumbewohner fühlen sich von ANC-Regierung betrogen. In zahlreichen Townships gibt es seit Tagen Proteste; noch verlaufen sie großteils friedlich.

KAPSTADT. Fast allabendlich laufen in den südafrikanischen Fernsehnachrichten Bilder, die stark an die Proteste aus der längst vergangenen Apartheid-Ära erinnern. Erst sieht man skandierende Demonstranten, die vor brennenden Autoreifen tanzen und in Mikrofone brüllen, dass sie es satt haben, unter menschenunwürdigen Bedingungen in den Townships zu leben. Dann fliegen Steine, manchmal werden Autos und Gebäude angezündet. Am Ende schießen Polizisten in blauen Uniformen wahllos Gummikugeln und Tränengas in die Menge.

In mindestens 20 Townships im ganzen Land fanden Protestaktionen statt, die jedoch nur teilweise von Gewalt begleitet werden. Es geht meist um knappes Bauland für Häuser, fehlende Sozialleistungen, die Versorgung mit Wasser und Strom sowie um die meist katastrophale Kanalisation.

Die Slumbewohner steigen aber zunehmend auch wegen der grassierenden Korruption auf die Barrikaden: Nach 15 Jahren und vier demokratischen Wahlen haben weite Teile der Bevölkerung den Glauben an die Versprechen der Regierung des „Afrikanischen Nationalkongresses“ (ANC) verloren.

Der ANC versprach zu viel

Die Regierung von Präsident Jacob Zuma amtiert seit dem 10.Mai. Aber die Erwartungen, die der Populist im Wahlkampfs geweckt hat, holen ihn schon ein. Denn fast überall, wo die Menschen protestieren, bekam der ANC bei der Wahl haushohe Mehrheiten, nicht zuletzt, weil der 67-Jährige, der sich unter anderem als erklärter Freund der Frauen gibt, den Menschen glaubhaft vermitteln konnte, er habe seine arme Herkunft nicht vergessen. Am Donnerstag besuchte Minister Sicelo Shiceka den Ort Balfour in der Provinz Mpumalanga. Dort hatte ein Mob die Residenz des Bürgermeisters angezündet und Läden geplündert. Da die meist Ausländern gehören, wurden Erinnerungen an die Ausschreitungen vor einem Jahr wach, bei denen 62 Gastarbeiter, meist aus Mozambique und Simbabwe, ermordet und 100.000 vertrieben wurden.

Shiceka, zuständig für Lokalverwaltungen, hatte zuvor gewaltsame Proteste heftig kritisiert. Die Zeiten, als Schwarze keine Redefreiheit besäßen, wären vorbei, meinte er; der Präsident habe immerhin jüngst sogar ein öffentliches Callcenter eingerichtet, damit einfache Bürger dort ihre Beschwerden loswerden könnten.

Unglücklicherweise verwies der Minister im Zusammenhang mit der weltweiten Rezession darauf, dass nunmehr „jeder von uns“ betroffen sei. Das dürfte freilich bei jedem Südafrikaner Bitterkeit auslösen: Kein Tag vergeht, ohne dass die Öffentlichkeit am Kap erfährt, wie verschwenderisch Zumas Ministerclique mit Steuergeldern umgeht. Das Volk hat genug von staatlicher Völlerei, die auf allen Regierungsebenen ausufert. In Mashishing, ebenfalls in Mpumalanga, wurde das Haus der Schwester der Bürgermeisterin in Brand gesteckt. Gerüchten zufolge soll die Dame am Verschwinden von 3,2 Millionen Rand (293.000 Euro) öffentlicher Gelder beteiligt gewesen sein.

Sturm auf Supermärkte

In Durban fand jüngst ein bizarrer Protest von Arbeitslosen statt. Hunderte Mitglieder der Organisation „Unemployed People's Movement“ marschierten in zwei Supermärkte und langten in die Regale. Viele Lebensmittel wurden an Ort und Stelle verzehrt, bevor die Polizei eintraf. Die Organisation behauptet, 20.000 Mitglieder zu haben, symbolisch aber acht Millionen Arbeitslose zu vertreten.

Präsident Zuma gestand am Freitag Probleme bei der Infrastruktur ein; es sei aber kein Grund für Aufruhr, die Polizei werde dagegen massiv vorgehen.

AUF EINEN BLICK

15 Jahre nach Übergang der Macht von den Weißen auf den ANC hat sich die ökonomische Lage in Südafrika verschlechtert. Die Armensiedlungen explodieren ebenso wie die Kriminalität; die Regierung gilt als korrupter denn je.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.