Keine Kopie des Italieners: Prosciutto di Pöttelsdorf

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mitten im Burgenland produziert Hans Bauer am Knochen gereiften Prosciutto. Der braucht vor allem eines: Zeit. Und hat mit österreichischem Schinken nicht viel zu tun.

Mangelndes Selbstvertrauen kann man Hans Bauer nicht gerade vorwerfen. Als seine Frau nach Jahren, während derer er neben seinem eigentlichen Job an den Wochenenden immer mehr Schinken und Wein produzierte, auf eine Entscheidung drängte, war die Sache für ihn ziemlich klar: Er gibt seinen Job auf. „Wenn wir bei Prosciutto und Wein zurückschrauben, lynchen mich meine Kunden.“ Seit Jänner ist der 48-Jährige jetzt also zu hundert Prozent Prosciuttomacher und Weinbauer. Und so erhebt sich hinter dem typischen burgenländischen Streckhof im Örtchen Pöttelsdorf im Wulkatal, in dem an diesem Frühlingstag Bauers Vater herumstapft und von den Enkeltöchtern schwärmt, nun ein neues Gebäude. In dem mehr als 2000 Schweinshaxen hängen.

Bauer ist damit irgendwie zu seinen beruflichen Ursprüngen zurückgekehrt, die er als 25-Jähriger verlassen hat. Denn eigentlich ist er gelernter Fleischermeister, wie der Vater und der Großvater. Als er umschwenkte und als Exportmanager zu einem Gewürzmittelkonzern ging, begann er, an den Wochenenden zu Hause mit Schinken am Knochen zu experimentieren. „Zuallererst, weil es mir selber schmeckt. Und weil es ein sehr puristisches Produkt ist – im Grunde nur Fleisch und Meersalz. Eigentlich der Gegensatz zu dem, was ich hauptberuflich vertrieben habe.“

Und auch, weil er etwas suchte, das zum Wein passt. In dem Weinbaubetrieb, den Bauer von seinem Großvater übernommen hat, produziert er vor allem Rotwein. „Und bei den Verkostungen brauchen die Leute etwas, das sie dazu essen können.“ Normaler Speck sei ihm da zu deftig gewesen. „Das passt zu grazileren Weinen nicht.“ Also: Prosciutto. Vor 15 Jahren verkaufte Bauer seine ersten Schinken, bald auch an das Schwarze Kameel in Wien. „Die Verkäuferinnen dort sagen mir, dass mein Prosciutto am besten geht.“

Geschmack und Textur

Ein paar Meter über dem Hof („Wir haben auch Berge im Burgenland“), riecht es dezent nach Fleisch. 1600 Schweinekeulen à zwölf Kilo hängen seit gut einem Jahr in dem Reiferaum, weitere 500 sind nebenan erst kürzlich gesalzen worden. Je nach Sorte reift sein Wulka Prosciutto bis zu drei Jahre. Dieser Tage steht das Verkitten am Programm, das heißt: Mit einer Mischung aus Schmalz und Mehl wird der Schinken eingerieben. „Dann entwickelt er Geschmack und Textur“, sagt Bauer. Anders als am Anfang, wo dem Fleisch – es geht ja um die Haltbarmachung – zunächst einmal Wasser entzogen wird.

Bei billigem Prosciutto wird da bisweilen mit halbseidenen Maßnahmen gearbeitet, sagt Bauer: Da wird das Salz gleich ins Fleisch injiziiert, das Wasser aus dem Schinken herausgepresst, da wird mit höheren Temperaturen gearbeitet, um den Prozess zu beschleunigen. „Was dann dazu führt, dass der Schinken schweindelt.“ Bauer lässt dem Fleisch die Zeit, die es braucht.

Keine Kopie von Italien

Seine Fleischervergangenheit hilft Bauer bei seinem Prosciutto übrigens nur bedingt. „Mit dem klassischen österreichischen Fleischerhandwerk hat das kaum etwas zu tun.“ Prosciutto wird trocken gesalzen statt in Lake gepökelt, er reift lange Zeit am Knochen und wird nicht geräuchert. Das Ergebnis ist mild, fast ein bisschen süß. „Die italienischen Schinken sind würziger, der Fleischgeschmack kommt etwas mehr durch, und sie sind eine Spur weicher.“ Die spanischen Schinken gehen „fast ein bisschen ins Ranzige“. So oder so: „Ich will keinen Spanier oder Italiener kopieren“, sagt er.

Natürlich geht auch immer wieder etwas schief: „Du kannst nicht hineinschauen. Es kann sein, dass ein Haxen was am Knochen hat.“ Und man erst nach einem, zwei oder drei Jahren bemerkt, dass der umsonst gehangen ist. „Aber der Knochen ist wichtig für das Aroma.“ Vor dem Verkauf kommt dieser allerdings heraus – auch, weil man den Prosciutto sonst kaum so fein aufschneiden kann, wie Bauer es tut. Hauchdünne Scheiben seines Pannonico, der puristischsten und mildesten Version, von der er am meisten verkauft („Da kannst du zwei Teller essen, es wird dir nicht zu viel.“), liegen auf dem Teller, neben einigen Scheiben von fettem Lardo, der in der Frühlingssonne regelrecht wegschmilzt. „Das ist ein Wahnsinn, wenn man den auf Fisch oder auf Jakobsmuscheln gibt.“ Auch wenn er inzwischen ziemlich zufrieden ist, feilt er weiter: „Ich bin halt so deppert, ich tüftle permanent.“

Syrischer Flüchtling

Seit einigen Tagen hat Bauer übrigens einen Mitarbeiter: Mohammed, einen syrischen Flüchtling, der vor zwei Jahren seine Heimat verlassen musste und nun in Pöttelsdorf wohnt. „Der ist ein cooler Typ. Er war früher Hochseekapitän und Koch – das Interesse für das Kulinarische verbindet uns also – und eine sozial engagierte Bekannte hat gefragt, ob ich nicht etwas für ihn hätte.“ Ein Syrer bei Schwein und Wein: Funktioniert das? Offenbar ja. „Beim Abfüllen des Weins habe ich für alle Leute 20 Kilo Schweinsbraten gemacht und für Mohammed ein Stückerl Rindfleisch in der Sauce mitgeschmort“, sagt Hans Bauer. „Und er hat einen Spritzer getrunken.“

Prosciutto

In Pöttelsdorf produziert Hans Bauer Wein und mehrere Sorten seines Wulka Prosciutto sowie Lardo vom Wollschwein. Jeden Samstag von 9 bis 17 Uhr verkauft er die Produkte ab Hof (Bachzeile 24, 7023 Pöttelsdorf). Dort kann man auch Feste wie Hochzeiten feiern. wein-prosciutto.at

Beim Genussfestival im Wiener Stadtpark von 6. bis 8. Mai ist Hans Bauer ebenfalls vertreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

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