Venezuela dreht an der Uhr und hofft auf ein Wunder

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Eine halbe Stunde werden seit Sonntag, 1. Mai, die Uhren vorgedreht. Energieexperten zufolge wird diese Maßnahme aber keinen großen Effekt haben.

Angeordnete Stromabschaltungen gehören seit Wochen in Venezuela zur Tagesordnung. Auch, dass sich Staatspräsident Nicolas Maduro in die Toilett-Gewohnheiten der Bürger einmischt. Frauen sollen sich nicht mehr die Haare fönen, um Strom zu sparen. Seit 1. Mai werden nun um  den Kollaps der Stromversorgung zu verhindern, die Uhren um eine halbe Stunde vorgestellt. Stattdessen soll nur mehr Tageslicht genutzt werden. Neben der dramatischen Stromkrise fehlen überall Lebensmittel und Medikamente, zudem leidet das Land unter der höchsten Inflation weltweit.

Um den Kaufkraftverlust auszugleichen, verkündete Maduro eine Erhöhung des Mindestlohns um 30 Prozent vom 1. Mai an. Er beträgt nun 15.051 Bolivares, was einem Schwarzmarktkurs von rund 17,50 Euro entspricht.

Sechs Stunden hinter MESZ

Mit der Zeitumstellung liegt Venezuela nun wieder sechs Stunden hinter der mitteleuropäischen Sommerzeit zurück. Unter Präsident Hugo Chavez waren die Uhren 2007 um eine halbe Stunde zurückgestellt worden, begründet wurde das damit, dass die Schulkinder dann nicht so früh aufstehen müssten. Energieexperten erwarten aber keinen großen Effekt zur Reduzierung des Strombedarfs. Als weitere Zwangsmaßnahmen müssen Einkaufszentren und Fabriken Strom sparen. In vielen Städten kommt es zu längeren Abschaltungen, was zu Protesten geführt hat.

Hauptgrund für den Notstand ist der Wassermangel im Stausee El Guri im Süden, dessen Wasserkraftwerk bis zu 70 Prozent der Energie in Venezuela liefert. Die Regierung macht das Klimaphänomen El Nino für einen Temperaturanstieg verantwortlich, der den Wasserpegel stark hat sinken lassen, die Opposition moniert dagegen fehlende Investitionen in neue, moderne Kraftwerke. Statt normalerweise 10.000 Megawatt ist die Leistung in dem Kraftwerk um über die Hälfte gefallen. In wenigen Tagen könnte der Wasserpegel unter den kritischen Punkt von 240 Meter fallen, dann müssten viele Turbinen ganz abgeschaltet werden.

Zwei-Tage-Woche für Beamte

In der vergangenen Woche waren Bedienstete des öffentlichen Dienstes aufgefordert worden, wegen der Energiekrise nur an zwei Tagen arbeiten zu gehen. Der Freitag war zuletzt zum schulfreien Tag erklärt worden. Die Opposition hat erste Schritte für ein Referendum eingeleitet, mit dem Maduro noch dieses Jahr abgesetzt werden soll - es wurden bereits rund 1,5 Millionen Unterschriften dafür gesammelt.

Selbst das Bier könnte in wenigen Tagen vielerorts zu Neige gehen: Der mit einer Marktabdeckung von fast 80 Prozent größte Bierbrauer Venezuelas hat wegen Gersten-Mangels seine Produktion vorläufig eingestellt. Die Vorräte würden noch maximal für zwei Wochen zum Verkauf reichen, sagte die Direktorin der Polar-Brauerei, Marisa Guinand, dem Sender Globovision. Schuld sei die Devisenpolitik der Regierung, die es unmöglich mache, weitere Gerste einzuführen.

(APA/DPA)

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