Rumänien: Wo Korruption Menschen tötet

(c) APA/AFP/DANIEL MIHAILESCU
  • Drucken

Ein Skandal um gepanschte Desinfektionsmittel weitet sich aus. Krankenhäuser nutzten jahrelang stark verdünnte Antiseptika, die überteuert und auch kaum wirksam waren.

Belgrad/Bukarest. Erst kippten Bürgerrechtsaktivisten vor Rumäniens Gesundheitsminister, Patriciu Achimaş-Cadariu, blutrotes Wasser auf eine Treppe. Dann stolperte der 40-Jährige im Sumpf des ausufernden Skandals um gepanschte Desinfektionsmittel zu Wochenbeginn sang- und klanglos aus seinem nur sechs Monate lang gehaltenen Amt. Bis die Krise gelöst sei, werde er selbst die Arbeit des Gesundheitsministeriums „koordinieren“, kündigte der parteilose Premierminister, Dacian Ciolos, nun an.

Kritiker warfen dem Ex-Minister – er ist Arzt – die Vertuschung der Machenschaften des heimischen Pharmakonzerns Hexi vor. Tatsächlich zieht der Skandal um gepanschte Desinfektionsmittel an Rumäniens Krankenhäusern immer größere Kreise. Es seien die „absichtliche Gleichgültigkeit“ der Behörden und der „Zynismus des Staates“, die zum Tod so vieler Menschen geführt hätten, konstatiert die Zeitung „Romana Libera“: „Korruption tötet“ sei in Rumänien kein Slogan, sondern Realität.

Dabei war die Aufdeckung des Skandals von ungewöhnlicher Seite her erfolgt: Es waren die mittlerweile 64 Toten des Feuers im Bukarester Club Colectiv Ende Oktober, die Reporter der Sportzeitung „Gazeta Sporturilor“ und der Journalistenplattform riseproject.ro auf die Spur des folgenschwersten Korruptionsskandals in Rumäniens marodem Gesundheitssektor brachten. Viele der Brandopfer (gleich nach der Katastrophe waren es 27 Tote gewesen) erlagen später in den Kliniken nämlich nicht ihren Brandverletzungen, sondern Infektionen durch Krankenhauskeime.

Bis auf zehn Prozent verdünnt

Das Problem solcher Bakterien, die wegen der in Spitälern konzentrierten Verwendung verschiedener Antibiotika multiresistent geworden und immer schwerer zu bekämpfen sind, macht dem Gesundheitswesen zwar weltweit zu schaffen. Doch bei der Suche nach den Gründen für die mangelhafte Hygiene in rumänischen Spitälern stießen die Journalisten auf neue Abgründe hinsichtlich der Korruption im Land: Desinfektionsmittel von Hexi wurden demnach nicht nur völlig überteuert an die Spitäler verkauft, sondern erwiesen sich auch als fast wirkungslos: Bei Stichproben wiesen die Antiseptika, die etwa auch Putzmitteln beigefügt waren, eine bis zu zehn Mal niedrigere Konzentration auf als auf dem Etikett angegeben. Sprich: Sie waren stark verdünnt worden.

Über eine Briefkastenfirma in Zypern soll Hexi die Zutaten für seine gestreckten Desinfektionsmittel bei deutschen Firmen erworben und das Produkt um einen zehnfach höheren Preis verkauft haben. Kontrollen hatte der Quasi-Monopolist bei seinen Panschereien dank großzügiger Zuwendungen an Beamte und Krankenhausmitarbeiter kaum zu fürchten: Labortests sind die Mittel jahrelang nicht unterzogen worden.

„Wie ist es möglich, dass kein Krankenhausdirektor daran gedacht hat, eine Analyse der Desinfektionsmittel vorzunehmen, wenn so viele Menschen aufgrund von Infektionen dort starben?“, fragt die Zeitung „Evenimentul Zilei“. Erst nach den Enthüllungen ordnete das Gesundheitsministerium Tests von Hexi-Produkten an. Von 3526 Stichproben habe man tatsächlich nur 4,25 Prozent mit mangelhaft bewertet, versuchte der nun zurückgetretene Minister zu beschwichtigen: Die öffentlichen Krankenhäuser seien sicher, das Desinfektionsproblem sei „kein weitverbreitetes Phänomen“.

„Patienten sind nicht sicher“

Nur: Die von Medien und Berufsverbänden erzwungene Veröffentlichung der Liste betroffener Kliniken machte deutlich, dass genau die mangelhaften, verdünnten Mittel in vielen der kontrollierten Krankenhäuser zum Einsatz kamen. Der Tod wie vieler Menschen mit der Benutzung der gepanschten Mittel in Verbindung steht, lässt sich freilich nicht eruieren, die Zahl dürfte aber hoch sein, heißt es. „Die Patienten sind in den öffentlichen Kliniken nicht sicher“, so das alarmierende Fazit von Bogdan Tanase, Chef des Ärzteverbands.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.