Portugiesischer Agent verkaufte Nato-Unterlagen an Moskau

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Das Sicherheitsleck in Lissabon ruft nun die Nato-Zentrale in Brüssel auf den Plan.

Lissabon. Auch gerissene Spione verplappern sich am Telefon. Solch ein Fauxpas wurde wohl einem portugiesischen Agenten zum Verhängnis, der vertrauliche Nato-Unterlagen an den russischen Geheimdienst verkauft haben soll. Die Ermittler waren ihm schon lang auf der Spur. Nach einem abgehörten Telefonat ertappte ihn die Polizei dabei, wie er in Rom Umschläge mit einem russischen Spion tauschte.

Die Details, die seit der Verhaftung des hochrangigen Mitarbeiters des portugiesischen Geheimdienstes SIS bekannt werden, klingen wie das Drehbuch aus einem James-Bond-Film. Zwei Agenten – ein Russe und ein Portugiese – treffen einander in einer beschaulichen Esplanade in der Innenstadt von Rom. Ermittler der italienischen und portugiesischen Kriminalpolizei beobachten die Szene und warten auf den richtigen Moment zum Zuschlagen. Sie stellen zwei Umschläge sicher: In dem einen befinden sich geheime Unterlagen über Nato und EU, im anderen ein Batzen Geldscheine, 10.000 Euro in bar.

Noch ist nicht klar, welche Dokumente Frederico Gil Carvalhão an den Agenten des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR aushändigen wollte. Es soll sich laut Medienberichten dabei aber um zum Teil streng vertrauliche Unterlagen mit sensiblen wirtschaftlichen und politischen Details über die Nato und die EU handeln.

Treffen in Rom

Beide Agenten wurden vor zwei Wochen in der italienischen Hauptstadt wegen des Verdachts der Spionage, Korruption und Verletzung des Staatsgeheimnisses verhaftet. Gil Carvalhão wurde am Sonntag nach Lissabon ausgeliefert und am Dienstag einem Untersuchungsrichter zum Verhör vorgeführt – er bleibt in Untersuchungshaft. Sein Anwalt hat den Spionagevorwurf als „unbegründet“ und „absurd“ zurückgewiesen.

Wenige Tage vor seiner Verhaftung beging der 57-jährige Portugiese einen entscheidenden Fehler. Er hat eine Einladung mit der Begründung abgelehnt, dass er sich zu diesem Zeitraum nicht in Portugal aufhalten würde. Das versetzte die Ermittler in Alarmbereitschaft, da er seinen Arbeitgeber, den Geheimdienst SIS, nicht über seinen Auslandsaufenthalt informiert hatte.

Beim russischen Spion, der weiterhin in Rom in Haft sitzt, handelt es sich um Sergej Nicolaevich Pozdnjakow. Das Auslieferungsverfahren des 46-jährigen Russen läuft noch, und es ist derzeit noch unklar, ob und wann dieser nach Portugal ausgeliefert wird. Russland will seine Auslieferung um jeden Preis verhindern und hat den diplomatischen Druck auf die italienischen Behörden erhöht.

Sicherheitspolitisches Fiasko

Für Portugal bedeutet der Fall ein sicherheitspolitisches Fiasko. Denn die Vorliebe von Frederico Gil Carvalhão für Osteuropäerinnen – aber auch für Russland selbst, wie seine Facebook-Seite deutlich zeigt – war schon lang bekannt und vom portugiesischen Geheimdienste SIS als „potenziell problematisch“ eingestuft worden. Deswegen ist Carvalhão trotz seiner mehr als 20 Dienstjahre in eine Abteilung versetzt worden, die sich mit weniger heiklen Dingen beschäftigt.

Das Sicherheitsbüro der Nato in Belgien – das die Sicherheitspolitik des Bündnisses koordiniert und überwacht – hat eine Untersuchung eingeleitet. Eine Nato-Untersuchungskommission wird in den nächsten Tagen in Lissabon erwartet, um das Ausmaß eines Geheimnisverrats zu analysieren – denn mittlerweile wurde bekannt, dass das Treffen in Rom nicht das erste zwischen den beiden Spionen gewesen sein soll.

Helfershelfer im Geheimdienst?

Eine der Prioritäten der Ermittler wird es sein, herauszufinden, welche geheimen Unterlagen verkauft wurden und vor allem, ob der portugiesische Agent dem russischen Geheimdienst Namen und Aufenthaltsorte westlicher Spione ausgehändigt hat.

Ungeklärt bleibt außerdem, wie es Carvalhão gelang, an die streng geheimen Dokumente heranzukommen und diese dann auch noch aus dem SIS-Gebäude zu schleusen. Die Möglichkeit, dass er Hilfe innerhalb des SIS gehabt hat, wird von den ermittelnden Behörden nicht ausgeschlossen.

AUF EINEN BLICK

Geheimdienstskandal. Frederico Gil Carvalhão, ein hochrangiger Mitarbeiter des portugiesischen Geheimdiensts SIS, überreichte einem russischen Agenten Ende Mai in Rom vertrauliche Unterlagen mit sensiblen wirtschaftlichen und politischen Details über die Nato und die EU. Er erhielt dafür 10.000 Euro. Das Treffen flog auf, nachdem sich Carvalhão selbst verraten hatte – er hatte einen Auslandsaufenthalt nicht bekannt gegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2016)

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