Konzil: Tiefer Riss in der Orthodoxie

Die mit Abstand größte Kirche, die russische, fehlt zu Beginn der Beratungen. Hintergrund sind gravierende theologische, politische wie persönliche Differenzen.

Kolymbari/Wien. Tief gespalten präsentiert sich die Weltorthodoxie zu Beginn des ersten Konzils seit Jahrhunderten. Dieses panorthodoxe Treffen von mehr als 170 Vertretern im Nordwesten Kretas ist überschattet vom Boykott der Kirchen Bulgariens, Georgiens, Syrien-Antiochiens – und Russlands. Immerhin lebt mehr als die Hälfte der 300 Millionen orthodoxer Christen im Territorium des Moskauer Patriarchen Kyrill I.

Am ersten Tag der Beratungen gestern, Montag, nannte das Ehrenoberhaupt der Orthodoxie, Bartholomaios I., die Absagen unverständlich. „Leider denken wir manchmal nicht an Konsequenzen, die unsere Taten für die Einigkeit der Kirche haben“, meinte er. Seit den 1960er-Jahren wurde dieses Konzil vorbereitet. Ende Jänner schienen die Weichen gestellt. In der Schweiz einigten sich Vertreter der 14 Kirchen auf Textentwürfe für das panorthodoxe Konzil. Über sensible Themen wie die Zusammenarbeit mit anderen Kirchen, Eheregeln und das Verhältnis zur Moderne muss nun bis 27. Juni von einem Rumpfkonzil beraten werden. Die Hintergründe der Absagen:

Führungskampf.
Der machtbewusste Moskauer Kyrill stellt die kirchenhistorisch erklärbare Vorrangstellung des Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios, grundsätzlich infrage, der als Primus inter Pares agiert. Kyrill weigert sich, das ohne ihn stattfindende Konzil anzuerkennen und spricht von einer „Versammlung“.

Territorialkämpfe. Seit Jahren kämpfen die Patriarchate von Antiochia und Jerusalem um die Zuständigkeit in arabischen Golfstaaten. Zuletzt hat die serbische Kirche laut Katholischer Nachrichtenagentur gedroht, mit der rumänischen Schwesterkirche zu brechen. Als Grund wurde angegeben, dass sich Bischöfe und Priester des Patriarchats von Bukarest in innere Angelegenheiten der serbischen Orthodoxie einmischten. Serbiens Bischofskonferenz verurteilte auch den Abfall der Montenegriner von der großserbischen Orthodoxie. Und Moskau fürchtet, die Kontrolle über die Ukraine zu verlieren.

Theologische Differenzen. Griechenlands orthodoxe Bischofskonferenz hat erst vor wenigen Tagen das geplante Ökumene-Dekret verworfen. Allen christlichen Konfessionen einschließlich der katholischen wird von Athen jede Kirchlichkeit abgesprochen. Es handle sich aus korrekter orthodoxer Sicht ausnahmslos um „Sekten“. In dem Konzilsentwurf ist hingegen von „Kirchen und Bekenntnissen“ die Rede, mit denen der Dialog geführt werden solle. Darüber hinaus gibt es Konflikte, ob – wie eigentlich vorgesehen – das Verbot von Ehen mit Angehörigen anderer christlicher Kirchen gelockert werden soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2016)

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Zuvor hatte es schon Absagen aus Bulgarien, Georgien, Serbien und Syrien gegeben. Das geplante Konzil wäre die erste Versammlung der orthodoxen Kirchen seit mehr als 1.200 Jahren.

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